Paragraphinnen on the Road: Als Anwältin die Welt erobern

Die Digitalisierung der Arbeitswelt und die Mobilität von Mitarbeitern machen auch vor den Türen von Rechtsanwaltskanzleien nicht Halt. Die Arbeit als Rechtsanwältin oder Rechtsanwaltsanwärterin ist längst nicht mehr an den vertraglich vereinbarten Dienstort gebunden. Dank dem Einsatz digitaler Arbeitsmittel und der durchaus erfreulichen Umstellung von Kanzleien auf paperless offices ist es möglich, einen erheblichen Teil der juristischen Arbeit remote, sei es im Homeoffice, unterwegs im Zug oder auch im Ausland zu erledigen. Die Beweggründe dafür sind vielfältig – von der Zeit mit und der Pflege von Kindern und Familienangehörigen, über den verlängerten Aufenthalt am Urlaubsort bis hin zum Traum von einer internationalen Karriere.

Aber auch inhaltlich kommen Juristinnen nicht um die grenzüberschreitenden Aspekte der juristischen Arbeit herum. Von internationalen Transaktionen, bis hin zum grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitskräften und der Korrespondenz mit im Ausland ansässigen Legal Abteilungen – die wenigsten von uns arbeiten in einer österreichischen splendid isolation. Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, das österreichische Recht nicht nur sprachlich, sondern auch mit einem zumindest grundlegenden Verständnis der Rechtsordnung des Gegenübers zu „übersetzen“. Dieses Verständnis können Juristinnen beispielsweise durch den Besuch von internationalen Tagungen und Fachkonferenzen schärfen. Immer mehr Kanzleien bieten ihren Juristinnen aber auch die Möglichkeit an, Secondments im In- oder Ausland, etwa in befreundeten Kanzleien zu absolvieren. Diese bieten Vorteile für beide Seiten – fachliche und persönliche Entwicklung von Juristinnen sowie Konsolidierung der Beziehung zwischen den Kanzleien – und sollten von Juristinnen als Chance genutzt werden.

On a personal note

Meine persönliche Erfahrung lässt sich nur schwer von diesem Diskurs trennen. Als gebürtige Rumänin, die für das Jusstudium nach Österreich zog, war meine berufliche Laufbahn von Beginn an durch ein gewisses Maß an Internationalität geprägt. Der Tag meiner Eintragung in die Liste der österreichischen Rechtsanwältinnen stellte nicht nur die übliche große Zäsur im Leben einer Juristin dar, sondern war auch gleich der Vorabend meines Umzugs nach London. Dort arbeitete ich zwei Jahre lang in einer Kanzlei und wurde während dieser Zeit auch als Solicitor in England und Wales eingetragen.

Auch wenn ich derzeit in Österreich arbeite und zu österreichischem Arbeitsrecht berate – die Erfahrung aus meiner Zeit in London begleitet mich jeden Tag bei meiner Tätigkeit. Nicht selten arbeite ich mit HR- und Legal-Spezialisten, die im angloamerikanischen Raum ansässig und (auch) für österreichisches Personal zuständig sind. Meine Auslanderfahrung ermöglicht es mir, den Hintergrund ihrer Fragen zu verstehen und Parallelen zwischen unseren Rechtsordnungen zu ziehen. Meine Erfahrung ist somit eine Bereicherung für mich und für Mandanten.

Ganz zu schweigen von den Freundschaften, die ich geschlossen habe, und dem persönlichen Wachstum, das unvermeidlich jede von uns erfährt, sobald sie die berühmte Komfortzone verlässt. Bereits dieses Wachstum ist es wert, das vertraute Umfeld auch nur für kurze Zeit zu verlassen und sich hin und wieder ins Unbekannte zu stürzen.

Doch der Reihe nach – räumen wir vielleicht als erstes die Basics aus dem Weg:

Arbeitsrechtliche Aspekte und Unfallversicherungsschutz

Ab dem 1.1.2025 tritt das neue Telearbeitsgesetz in Kraft, welches § 2h AVRAG novelliert und die Rahmenbedingungen für Remote Work – ganz gleich an welchem Ort – verbessern soll. Remote Work bedarf künftig nicht nur im Homeoffice sondern auch außerhalb (zB in Co-Working Spaces oder im Ausland) einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber und letzterer muss die dafür erforderlichen digitalen Mittel (zB Laptop, Diensthandy oder Internet) grundsätzlich zur Verfügung stellen. § 2h AVRAG findet auch auf Rechtsanwaltsanwärterinnen und angestellten Rechtsanwältinnen Anwendung. Im Sinne der Klarheit und Rechtssicherheit sollten auch Rechtsanwaltskanzleien mit ihren Mitarbeiterinnen Telearbeitsvereinbarungen abschließen, wenn Mitarbeiterinnen regelmäßig remote arbeiten. Aber auch für die allfällige Auszahlung steuerbegünstigter Telearbeitspauschalen ist die Dokumentierung von Remote Work sowie die konkret in Anspruch genommenen Remote Work Tage von Bedeutung.

Ebenso wichtig für unselbständig tätige Juristinnen sind die Änderungen im Sozialversicherungsrecht, genauer in der Unfallversicherung: Die Arbeit am Telearbeitsort ist stets von der Unfallsversicherung nach dem ASVG umfasst. Wegunfälle sind nach § 175 ASVG hingegen künftig nur im Zusammenhang mit Telearbeit „im engeren Sinn“ geschützt; das ist einerseits Telearbeit im Homeoffice, andererseits Telearbeit in der Wohnung naher Angehöriger oder in Coworking Spaces, wenn die Entfernung zu diesen dem üblichen Arbeitsweg entspricht. Nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst sind Wegunfälle im Zusammenhang mit Telearbeit „im weiteren Sinn“, also an jeglichen anderen Orten. Wenn also Juristinnen beispielsweise für eine Zeit im Ausland arbeiten möchten – etwa aus dem Hotelzimmer am Konferenzort oder aus den Büroräumlichkeiten einer befreundeten Kanzlei –, ist eine Reiseunfallversicherung durchaus eine Überlegung wert.

Just because you can…

Insbesondere in der Rechtsanwaltsbranche hat die berufliche Verschwiegenheitspflicht einen hohen Stellenwert. Die Möglichkeit, an Orten außerhalb der Kanzleiräumlichkeiten zu arbeiten, wirft daher wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz von geheimen Informationen und Unterlagen sowie von personenbezogenen Daten auf. Telefonate mit Mandanten in einem gut besuchten Café oder das Versenden von Unterlagen über öffentliche Internetverbindungen können daher schnell zum Verhängnis werden. Anders als im „klassischen“ Angestelltenverhältnis können Verstöße außerdem nicht nur im laufenden Dienstverhältnis Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch auf standesrechtlicher Ebene und somit für die gesamte weitere berufliche Laufbahn, von Reputationsschäden ganz zu schweigen. Dies gilt umso mehr für selbständig tätige Rechtsanwältinnen, die ihren Arbeitsort völlig frei bestimmen können.

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwaltsanwärterinnen sollten sich daher nicht nur auf die von ihrer Rechtsanwaltskanzlei getroffenen Schutzmaßnahmen verlassen, sondern stets, auch im Eigeninteresse überlegen:

  • Können kanzleifremde Personen in meinem Umfeld meinen dienstlichen Gesprächen zuhören oder meine Mandantenkorrespondenz mitlesen?
  • Habe ich eine gesicherte Internetverbindung für meine Arbeit?
  • Wie kommt meine remote Tätigkeit bei Mandanten an (zB wenn ich Videokonferenzen für andere wahrnehmbar in öffentlichen Bereichen führe)?

Für Rechtsanwaltskanzleien bedeutet die Normalisierung und große Reichweite von Remote Work ein erhöhter Bedarf an Schutzmaßnahmen und an Nachschärfung von kanzleiinternen Policies. Diese sollten klar festlegen, an welchen Orten und unter welchen Voraussetzungen remote gearbeitet werden kann.

Remote Work im Ausland

Bei der ganzen Aufregung über das bevorstehende Auslandsabenteuer dürfen die praktischen Aspekte nicht in Vergessenheit geraten.

Die sozialversicherungsrechtliche Zuständigkeit des Staates, in dem Rechtsanwältinnen und Rechtsanwaltsanwärterinnen eingetragen sind und regelmäßig arbeiten, bleibt gemäß VO 883/2004 (stets gemeinsam mit DVO 987/2009 zu lesen) generell auch für die Dauer vorübergehender Auslandsaufenthalte von bis zu maximal zwei Jahren innerhalb der EU, des EWR oder der Schweiz unverändert. Dies ist sohin erheblich länger als die Dauer internationaler Konferenzen und durchschnittlicher Secondments. Die einschlägigen Regelungen in Bezug auf Großbritannien sind weitgehend gleichlautend.

Durch Antrag bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer können Rechtsanwältinnen (bzw Antrag bei der ÖGK im Fall von Rechtsanwaltsanwärterinnen) eine A1-Bescheinigung erlangen, die die Sozialversicherung im Heimatstaat nachweist. Zwar sieht das Unionsrecht keine ausdrückliche Verpflichtung zur Führung einer A1-Bescheinigung vor; eine solche Verpflichtung – und Strafen im Fall von Verstößen – können sich aber aus den nationalen Regelungen ergeben (wie es etwa auch in Österreich der Fall ist). Als Faustregel empfiehlt es sich daher vor jedem, sei es auch kurzfristigen Auslandsaufenthalt eine A1-Bescheinigung zu beantragen und diese mitzunehmen. Im Fall einer Erkrankung haben Juristinnen sodann Zugang zu medizinischen Leistungen vor Ort.

Im Fall von vorübergehenden Aufenthalten in Drittstaaten kommt es darauf an, ob Österreich mit dem Zielstaat ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat. Ähnlich wie die Unionsregelungen sehen diese bei vorübergehenden Auslandaufenthalten regelmäßig die fortgesetzte sozialversicherungsrechtliche Zuständigkeit des Heimatstaates vor. Besteht kein bilaterales Sozialversicherungsabkommen, richtet sich die Zuständigkeit nach den jeweiligen nationalen Regelungen und sind sogar Doppelgleisigkeiten zwischen der österreichischen und der ausländischen Rechtsordnung denkbar. Es empfiehlt sich daher, vorab eine Recherche zu den geltenden Rahmenbedingungen durchzuführen.

Auch einwanderungsrechtlich kann bei Aufenthalten in Drittstaaten uU ein Arbeitsvisum oder eine anderweitige Bewilligung erforderlich sein, insbesondere wenn die Tätigkeit über bloße Geschäftstreffen ohne weitere produktive Arbeit hinausgeht.

Langfristige Tätigkeit im Ausland

Eine weitaus größere administrative Herausforderung stellen – nicht nur für Juristinnen – längerfristige Auslandsaufenthalte oder sogar eine permanente Übersiedlung ins Ausland dar. Die Besonderheiten für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwaltsanwärterinnen ergeben sich einerseits aus der Natur der rechtsanwaltlichen Tätigkeit, die notwendigerweise die Gesetze eines bestimmten Staates als Gegenstand hat, andererseits aus den standesrechtlichen Vorschriften, welche die Qualität der rechtsanwaltlichen Beratung gewährleisten sollen.

Zahlreiche Länder bieten Tätigkeitsmodelle (zumeist unter der Aufsicht eines lokalen Rechtsanwalts) für im Ausland eingetragene Rechtsanwältinnen an, so etwa als niedergelassene europäische Rechtsanwältinnen innerhalb der EU und des EWR oder als Registered Foreign Lawyers in England und Wales.

Gleichzeitig müssen in Österreich eingetragene Rechtsanwältinnen idR weiterhin bestimmte standesrechtliche Anforderungen erfüllen, wie etwa die Aufrechterhaltung eines heimischen Kanzleisitzes, den Zugang zu webERV und eine Haftpflichtversicherung, die den Mindestanforderungen des § 21a RAO entspricht. UU sind jedoch auch bestimmte Erleichterungen möglich, wie etwa die Befreiung von Kammerumlagen (Teil A und B) und die Befreiung von Verfahrenshilfen. Für ein umfassendes Toolkit sollten sich Rechtsanwältinnen jedenfalls frühzeitig vor der beabsichtigten Übersiedlung mit den zuständigen Rechtsanwaltskammern in Kontakt setzen.

Mag. Florina Thenmayer

Florina Thenmayer ist seit 2015 bei DORDA und zeichnet sich durch ihren internationalen Hintergrund aus: Sie ist in Rumänien geboren und aufgewachsen, und hat in Österreich und England gelebt und als Rechtsanwältin gearbeitet. Ihre Ausbildung als österreichische Rechtsanwältin absolvierte sie 2015 – 2019 im Fachbereich Arbeitsrecht bei DORDA. Sie verbrachte zwei Jahre in der City of London, wo sie für eine namhafte Rechtsanwaltskanzlei tätig war. Sie wurde 2019 als Rechtsanwältin in Österreich und 2021 als Solicitor in England & Wales zugelassen (derzeit nicht praktizierend). Dank ihrer internationalen Erfahrung ist Florina versiert in der Beratung von Mandanten aus unterschiedlichen Rechtsordnungen und Kulturkreisen. Dank ihrer Erfahrung in einer Rechtsabteilung verfügt Florina über ein ausgeprägtes unternehmerisches Verständnis und einen pragmatischen Ansatz in Personalangelegenheiten.