Abgeschlossenes Studium – und jetzt?
Nach dem Studium stehen alle Juristinnen vor einer weitreichenden Entscheidung. Dabei geht es nicht allein um die weitere Ausbildung zur Richterin, Notarin, Unternehmensjuristin, Juristin bei Bund bzw Land oder Rechtsanwältin. Dabei geht es vor allem um die Frage „Lasse ich mich anstellen oder stelle ich etwas Neues, Eigenes an?“
Wir gehen im Folgenden näher auf die Selbstständigkeit in Zusammenhang mit der Rechtsanwaltschaft ein.
Um überhaupt erst los starten zu können benötigt man als Rechtsanwältin einiges an Infrastruktur:
Essenziell sind ganz klar ein Computer (Stand PC und/oder Notebook) und ein Telefon (Achtung, nicht die private Nummer verwenden!). Weiter geht es mit einem Netzwerk, das heißt dem Server sowie der notwendigen Software (zB Advokat, MS Office, MS Teams, etc). Mittlerweile gibt es mehrere – von der Rechtsanwaltskammer abgesegnete – Cloudlösungen, die es einem ermöglichen, mit minimalem finanziellem Aufwand ohne Zeitverlust zu jeder Zeit an jedem Ort arbeiten zu können. Vorteil solcher Lösungen ist unter anderem, dass zB die Datensicherung und sämtliche Updates vom Serverbetreiber durchgeführt werden und man sich hier nicht selbst darum kümmern muss. Zudem haben Server derzeit lange Lieferzeiten und benötigt man zum Bestellen des Equipments und dem Betreiben fachliches Knowhow.
Das alles ist aber nur der Anfang: Zu organisieren sind weiters die Kanzleiräumlichkeiten, die Kanzleikonten (Geschäfts- und Anderkonto), diverse Versicherungen, Internet- sowie Stromanbieter, und – heutzutage nicht mehr wegzudenken – der Auftritt im world wide web (Webseite, Social Media Plattformen etc). Damit einher gehen das Logo und der klassische Kanzleibedarf, wie beispielsweise gebrandete Blöcke, Stifte, Schirme und vieles mehr. Bei den Kanzleiräumlichkeiten gilt es außerdem sehr vieles zu bedenken: Lage und Erreichbarkeit, Gerichtsnähe, Größe (gibt es Potential für Wachstum?) und eine Wohlfühlzone für das eigene Team.
Wichtig zu erwähnen ist, dass es bei den genannten Punkten quasi keine Prioritätenliste gibt, das sollte alles ziemlich gleichzeitig in die Wege geleitet werden.
Wenn man sich erst einmal die Infrastruktur zurecht gelegt hat, steht man als selbstständige Rechtsanwältin gleich vor dem nächsten großen Themenblock:
Wie gewinnt man das Vertrauen von Mandantinnen und Mandanten, woher bekommt man Mandate? Wie wird man gefunden?
Auf diese Fragen gibt es in Wirklichkeit nur eine Antwort: Netzwerken, und zwar richtig. Am besten man sucht sich 1-3 passende Netzwerke aus und pflegt diese gut, soll heißen man engagiert sich, besucht Veranstaltungen und arbeitet gewonnene Fälle in sehr guter Qualität ab. Damit ist nicht nur die rechtliche Seite gemeint, auch menschlich müssen Rechtsanwältin und Mandanten die gleiche Wellenlänge haben.
Aller Anfang ist schwer. Mit etwas Durchhaltevermögen entwickelt sich aber relativ schnell eine effiziente Dynamik, was Mandate angeht. Gute Arbeit spricht sich schnell herum und das eine ergibt das andere.
Man muss auch für sich selbst beantworten können, wer die Zielgruppe sein soll und in welchen Fachgebieten man tätig wird. Gerade heutzutage ist es unerlässlich, Spezialgebiete zu haben. Der Gedanke rechtlich alles abzudecken ist schön, aber leider nicht realistisch. Die Rechtsgebiete sind entsprechend komplex und ist es besser, sich gleich mit ausgewählten Fachgebieten vertraut zu machen. Bei manchen Fachgebieten ist dann auch schnell klar, ob man mit natürlichen Personen (zB im Familienrecht) oder juristischen Personen (zB im Gesellschaftsrecht) arbeiten wird.
Die wohl erste und gleichzeitig wichtigste Entscheidung, die man zu treffen hat ist, ob man sich mit anderen Rechtsanwälten oder alleine als Rechtsanwältin selbstständig macht. Den richtigen Kanzleipartner zu finden ist vieles, aber sicher nicht leicht. So oder so kann man zufrieden und erfolgreich arbeiten. Klar ist aber auch, dass ein Backup – wenn gleich in Form einer Substitutin – niemals schaden kann, weder im Hinblick auf (gesundheitliche) Ausfälle, noch im Hinblick auf Terminkollisionen.
Als wertvoll empfinden wir beispielsweise den Synergieeffekt: Jeder hat besondere Stärken und gewisse Schwachstellen. Im Idealfall gleicht die eine das andere aus. Neben dem fachlichen ist aber vor allem menschliche Austausch sehr wertvoll. 4 Augen sehen immer mehr als 2 ; ) und ein lustiges Gespräch hat schon so manchen Tag gerettet.
Die vielen To-Do´s wirken anfänglich abschreckend. Aber Fakt ist, dass man sowieso nur einen Schritt nach dem anderen machen kann. Und wenn man genau das tut, geht man schon auf das Ziel los. Einfach TUN (und durchhalten). Es funktioniert wirklich.
Julia Schürz und Janine Karlsböck sind Rechtsanwältinnen & Mütter. Julia studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien, Janine studierte Rechtswissenschaften an der JKU. Beide absolvierten ihre gesamte Rechtsanwärterzeit in einer renommierten Wirtschaftskanzlei in Linz. Im Jahr 2021 gründeten die beiden ihre eigene Kanzlei „SCHÜRZ & KARLSBÖCK Rechtsanwälte“ mit 0 Mandaten. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Bereich Vertragsrecht, Gesellschafts- und Unternehmensrecht, IT-Recht sowie Familienrecht. Ihre Mandanten beraten die beiden mit fachlicher Expertise, einem Hauch Kreativität und Hausverstand.