Als ich meine Mediationsausbildung abgeschlossen hatte und auch die Rechtsanwaltsprüfung erfolgreich bestanden hatte, war ich begeistert von der Möglichkeit, als Anwältin und eingetragene Mediatorin zu arbeiten. Ich dachte, dass die Kombination dieser beiden Fähigkeiten ein unschlagbares Angebot für meine Klientinnen wäre. Allerdings musste ich schnell feststellen, dass einige meiner Kolleginnen in der Anwaltschaft nicht so begeistert von Mediation waren. Sie betrachteten es eher als Konkurrenz statt als Ergänzung zu ihrem Beruf. Genauso habe ich auch von Mediatorinnen gehört, die eine negative Meinung von der Tätigkeit von Anwältinnen hatten. Sie sahen die Anwältin als zuständig für das gerichtliche Streitverfahren und die Mediatorin für die außergerichtliche Konfliktlösung.
Doch ist das ein realistisches Bild? Sollten wir wirklich in so engen Kategorien denken? Ich denke nicht. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass eine Anwältin, die auch als Mediatorin tätig ist, ein breiteres Spektrum an Lösungen anbieten kann. Sie kann ihren Klientinnen in der gerichtlichen Streitschlichtung sowie bei der außergerichtlichen Konfliktlösung helfen. Die Fähigkeit, Konflikte auf beiden Wegen lösen zu können, gibt mir die Möglichkeit, meine Klientinnen bestmöglich zu unterstützen und ihr Interesse zu vertreten.
Mittlerweile haben sich die Haltungen von Anwältinnen und Mediatorinnen zueinander geändert. Beide Berufsfelder werden nun als ergänzende Kompetenzen wahrgenommen. Mediation ist für Anwältinnen eine wichtige Zusatzkompetenz und kann in vielen Fällen zur Konfliktlösung herangezogen werden.
Ich habe mich bereits von Beginn an dafür eingesetzt, dass Mediation auch für die Rechtsanwältin eine entsprechende Zusatzkompetenz ist, die in der beruflichen Tätigkeit und damit dem Arbeiten mit Menschen eingesetzt werden kann.
Es gibt es viele Beispiele, in denen das Mediationsverfahren erfolgreich zur Konfliktlösung beitragen kann.
In unserer Kanzlei haben wir folgendes erlebt: Ein junges Ehepaar kam in unser Büro, um sich einvernehmlich zu trennen. Doch schon beim ersten Wortwechsel flogen die Fetzen und die Emotionen gingen so hoch, dass eine sachliche Auseinandersetzung nicht mehr möglich war. Zwischen den Beiden gab es nur noch bitterböse Vorwürfe und Schreiduelle. Wir entschieden uns für die Shuttle-Mediation, um zwischen den Parteien zu vermitteln. Am Ende gab es Tränen, Erleichterung, sogar eine Umarmung und wir konnten eine Einigung erzielen und alle wesentlichen Fragen klären. Die Mediation half, das Gespräch wieder möglich zu machen und eine einvernehmliche Trennung zu erreichen.
Allerdings läuft es nicht immer so gut. Manchmal ziehen sich Auseinandersetzungen über viele Monate. Und es gibt durchaus auch Fälle, die nicht mittels Mediation lösbar sind.
Meine Boutique Kanzlei ist exklusiv auf Familienrecht spezialisiert, und ich sehe hier einen großen Anwendungsbereich für Mediation. Besonders in Streitigkeiten innerhalb der Familie, wie bei Verlassenschaften oder zwischen getrennten Eltern im Zuge des Kontaktrechts oder Unterhaltsstreitigkeiten, aber auch beim Abschluss von Unternehmensübergabeverträgen oder Ähnlichem. Ich möchte jedoch betonen, dass das Mediationsverfahren auch in nahezu allen anderen Bereichen ein in der Praxis häufig angewendetes Konfliktlösungsverfahren darstellt und als solches wahrgenommen wird.
Vor einigen Jahren habe ich die Position als Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Mediation übernommen, einem der größten Mediationsvereine in Europa. Ich freue mich sehr darüber, dass ich im Rahmen dieser Funktion regelmäßig von Anwältinnen und Anwälten kontaktiert werde, die um Unterstützung bei der Auswahl eines Mediators oder einer Mediatorin für ein Mediationsverfahren bitten. Dies geschieht immer dann, wenn sich die Parteien auf ein Mediationsverfahren verständigt haben, es jedoch noch an der Auswahl der konkreten Person des Mediators oder der Mediatorin scheitert. Aus den vermehrten Anfragen in den letzten Jahren schließe ich, dass Mediation auch in der Wirtschaft praktisch angewendet wird.
Ich betrachte meine Mediationsausbildung als eine hervorragende Ergänzungskompetenz in meiner beruflichen Tätigkeit als Anwältin. Natürlich ist es wichtig, immer im Hinterkopf zu behalten, dass die Anwältin parteiisch für ihre Mandantin agiert, während die Mediatorin allparteilich ist und beide Parteien bei der Lösungsfindung unterstützt. Trotzdem kommt es in meiner Arbeit als Anwältin oft vor, dass ein vertieftes Wissen zu Konflikten, zu deren Zustandekommen und auch zu unterschiedlichen Lösungsansätzen von erheblichem Vorteil ist. Dies gilt nicht nur vor Gericht, sondern auch in außergerichtlichen Verhandlungsrunden, wenn Vertragspositionen verhandelt werden oder Lösungen einer gütlichen Einigung zugeführt werden sollen.
Schließlich kommt es auch oft vor, dass ich als Anwältin mit Fällen konfrontiert werde, in denen Parteien Mediationen durchgeführt und möglicherweise sogar Vereinbarungen daraus abgeschlossen haben. Auch in diesen Fällen ist es von erheblichem Vorteil, wenn man über ein fundiertes Wissen über die Mediation verfügt.
Daher würde ich die Frage, ob eine Mediationsausbildung auch für angehende Anwältinnen und Anwälte sinnvoll ist, weiterhin uneingeschränkt mit Ja beantworten. Die Kombination aus juristischem Fachwissen und der Fähigkeit, Konflikte auf außergerichtlichem Wege zu lösen, kann ein unschlagbares Angebot für die Klient*innen sein und einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Anwaltskanzleien darstellen.
Valentina Philadelphy-Steiner, ist Gründerin und Partnerin von Philadelphy-Steiner Rechtsanwälte. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Familienrecht, Immobilienrecht sowie Nachlassplanung.