„Warum soll ich mich eigentlich strittig scheiden lassen? – Gibt es diese Scheidung überhaupt noch?“

Mit diesen – durchaus nachvollziehbaren – Worten wird man im Zuge des ersten Beratungsgesprächs oder der Informationsaufnahme mit Mandanten* häufig konfrontiert. Hintergrund dieser Frage ist wohl der Umstand, dass ungefähr 90 % aller Ehescheidungen irgendwann einmal (auch noch nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten) doch noch einvernehmlich enden. Verständlich ist, dass sich Mandanten, den so genannten „Rosenkrieg“ bzw. psychischen Druck ersparen wollen, wenn eine Scheidung auch anders möglich ist.

Österreich ist eines der wenigen europäischen Länder, die noch auf das Verschuldensprinzip bei der Ehescheidung abstellen. Dies bedeutet, dass sich eine strittige Ehescheidung – ein Zivilprozess in welchem festgestellt wird, aus welchem Verschulden die Ehe geschieden wird – insofern rechnet, als mit einem Obsiegen im Prozess ein finanzieller Vorteil verbunden ist. 

Mandanten stehen diesbezüglich vor der Fragestellung, ob ein lebenslanger Unterhaltsanspruch besteht, wenn ein Ehepartner mit höherem Einkommen aufgrund seines Verhaltens – im Fachjargon – die unheilbare Zerrüttung der Ehe verursacht hat. Die Worte „lebenslang“ (= auch unbefristet) und „Verschulden“ erscheinen dabei mehr als antiquiert und erinnern eher an ein Strafverfahren als an eine familienrechtliche Auseinandersetzung im 21. Jahrhundert. 

Von einigen wenigen Ausnahmefällen abgesehen, in welchen es sehr wichtig sein kann, dass ein Ehegatte eine finanzielle Absicherung in Form von Unterhalt für sich und die Kinder erhält, wird die Verschuldensscheidung von den meisten Menschen mittlerweile als überschießend oder bloßes Bestrafungsinstrument angesehen. Bei einer jungen Mutter mit drei minderjährigen Kindern, der es aufgrund der Erziehung und Pflege der Kinder und der Haushaltsführung nicht möglich war, sich in ihrem Beruf zu festigen oder ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, stellt sich die Frage der diesbezüglichen Rechtfertigung zumindest für die Zeit der Kinderziehung nicht; anders ist die Lage bei kinderlosen Paaren, die sich selbst sehr gut erhalten können und dann auch noch Anspruch auf (Ergänzungs)Unterhalt hätten.

Selbst die „Glock-Entscheidung“, in welcher endgültig oberstgerichtlich festgestellt wurde, dass der Ehegattenunterhalt – im Gegensatz zum Kindesunterhalt – auch nicht mit einem niedrigeren Betrag gedeckelt ist (wenn ein Betrag von etwa 46.000 EUR pro Monat zur Verfügung steht), ließ keine Tendenzen erkennen, wonach von diesem Prinzip in Kürze abgerückt werden könnte. 

Zweckmäßiger erscheint es möglicherweise, den Anspruch auf Ehegattenunterhalt von anderen Faktoren und Tatsachen, wie insbesondere der Dauer der Ehe, der Anzahl der Kinder, der Ausbildung, den verfügbaren Erwerbsmöglichkeiten usw., abhängig zu machen. 

Aber: Davon sind wir in Österreich – auch angesichts einer starken Lobby – (noch) weit entfernt! 

Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann dennoch im Rahmen einer einvernehmlichen Ehescheidung gemäß § 55a EheG beinahe jede andere Lösung ausverhandelt und vereinbart werden. 

Lediglich beispielhaft sei erwähnt, dass natürlich auch befristete Unterhaltsansprüche (für einige Jahre (der Betreuungszeit für Kinder), Unterhalt in einer bestimmten Höhe (Fixunterhalt mit oder ohne Wertsicherung) sowie Abfindungszahlungen für den „Start“ in das neue Leben nach der Scheidung möglich – um nicht zu sagen derzeit „en vogue“ – sind.

Von beteiligten Richtern, Rechtsanwälten, Mediatoren, Psychologen sowie Mandanten werden dazu verschiedene Rechtsauffassungen und Lebenseinstellungen eingenommen. Tatsache ist, dass es sich sicherlich lohnt, in das berufliche Fortkommen zu investieren, da wohl auch – trotz dieser Regelung – nicht davon ausgegangen werden kann, dass der andere Ehegatte ein Leben lang entsprechend leistungsfähig sein wird. Spätestens ab der Pensionierung reduziert sich jedenfalls auch ein lebenslanger Unterhaltsanspruch auf die tatsächlichen Einkommensverhältnisse. 

Im Rahmen einer einvernehmlichen Ehescheidung wären auch noch sonstige Themen im Zusammenhang mit Kindern, wie Unterhalt, Aufenthalt, Betreuung und Kontaktrecht zu regeln. Weiters ist es gesetzlich notwendig, die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 ff EheG abschließend in einer Scheidungsfolgenvereinbarung zu regeln. 

Aus Anlass der Aufteilung des ehelichen Vermögens sind auch Kombinationen oder (Gesamt)Pakete, die auch einen (lebenslangen) Unterhaltsanspruch abgelten, möglich. Empfehlenswert sind auf den speziellen Sachverhalt angepasste Lösungen, die beiden Ehegatten ein alleiniges weiteres Fortkommen ermöglichen. 

Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle auch bleiben, dass gerichtliche Entscheidungen hinsichtlich des Verschuldens an einer Ehescheidung häufig eine Beweiswürdigung eines einzelnen Richters oder einer Richterin darstellen, die von den Betroffenen selbst oftmals ganz anders gesehen wird. Die Relevierung der Beweiswürdigung durch ein Berufungsgericht ist nicht gerade einfach zu bewerkstelligen, zumal mangels Unmittelbarkeit der Parteien und Zeugen, keine anderen Feststellungen im Urteil getroffen werden (können). Soll das Risiko oder – besser gesagt – das Glück daher nicht in die Hand des unabhängigen Gerichtes gelegt werden, macht es Sinn, im Vorfeld gemeinsam mit dem Rechtsvertreter der Gegenseite den Versuch zu unternehmen, eine angemessene Lösung auszuverhandeln. Noch vorausschauender wäre eine Unterhaltsregelung in einem Ehevertrag, welcher bereits vor der Ehescheidung oder auch noch während der Ehe für den Fall einer Ehescheidung abgeschlossen werden kann. Auch in dieser Sicht stehen beinahe alle Varianten – vom wechselseitigen Ehegattenunterhaltsverzicht bis zu einem befristeten Unterhaltsbeitrag während der Betreuungszeiten von Kindern – zur Verfügung.

Ich persönlich verstehe meine anwaltliche Aufgabe darin, die Mandanten über Risiken sowie mögliche rechtliche Folgen einer gerichtlichen Entscheidung aufzuklären und mit den Mandanten zu besprechen, ob nicht auch im Vorfeld durch einen außergerichtlichen Vergleich eine zufriedenstellende Lösung getroffen werden könnte. Ungeachtet dessen kann es selbstverständlich Sachverhaltskonstellationen geben, die es erforderlich machen, eine oberstgerichtliche Entscheidung zu erreichen.

Dr. Birgit Leb, MBA

Partnerin bei SAXINGER Rechtsanwalts GmbH

Chief Diversity Officer

b.leb@saxinger.com

*Die Bezeichnungen sind geschlechtsunabhängig zu verstehen und erfolgen ausschließlich aus stilistischen Gründen.

Dr. Birgit Leb, MBA

Birgit Leb ist seit 2006 für SAXINGER tätig und seit 2010 geschäftsführende Gesellschafterin. Von Ende 2002 bis 2006 war sie in hiesigen Wirtschaftskanzleien als Rechtsanwaltsanwärterin tätig.Das Studium der Rechtswissenschaften absolvierte Birgit Leb an der Johannes Kepler Universität in Linz. Sie verrichtete ihr Gerichtspraktikum beim Bezirksgericht Linz-Land und beim Landesgericht Linz. Die Promotion zum Dr. jur. erfolgte im Jahr 2004 mit ausgezeichnetem Erfolg. Im Jahr 2006 legte Birgit Leb die Rechtsanwaltsprüfung beim Oberlandesgericht Linz mit sehr gutem Erfolg ab. Weiters absolvierte sie im Jahr 2013 den postgradualen Lehrgang MBA für Juristinnen und Juristen an der Johannes Kepler Universität in Linz, wobei sie ihre Masterthesis zum Thema: „Businessplan am Beispiel eines E-Paymentsystems im Internet“ verfasste.