Vorbilder-Reihe Paragraphinnen & ÖRAK: Mag. Ulrike Pöchinger

Die Vorbilder-Reihe für die moderne Anwältin: Im Gespräch mit Mag. Ulrike Pöchinger

Auf Ihrem Karriereweg haben Sie als Unternehmensjuristin, als Juristin im EU-Parlament und Ministerkabinetten gearbeitet. Welche Skills, die Sie dort gelernt haben, haben Ihnen am meisten geholfen eine erfolgreiche Anwältin zu werden?

Es ist rückblickend schwierig, konkrete Skills mit konkreten Karrierestationen zu verknüpfen. Was mich mein bisheriger Karriereweg aber gelehrt hat, ist eine schnelle Anpassungsfähigkeit an teilweise ganz unterschiedliche Umfeldanforderungen – das Europäische Parlament funktioniert ganz anders als ein großes Unternehmen. Die so erworbene Fähigkeit, mich schnell in alle Aspekte einer neuen Mandantensituation hineinzudenken, hilft mir im Kanzleialltag enorm.

Was hat Sie nach vielen Jahren in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor dazu bewegt, Anwältin zu werden?

Der öffentliche Sektor gibt einem berufliche und wirtschaftliche Sicherheit, allerdings sind die persönlichen Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten begrenzt. Als selbstständige Rechtsanwältin habe ich diese Sicherheit nicht, dafür aber auch keine systembedingte „gläserne Decke“. Diese Herausforderung hat mich damals gereizt und sie tut es bis heute.

Junge Frauen, die sich eine größere Familie wünschen, entscheiden sich oft gegen die Anwaltei. Sie haben 3 Kinder und eine eigene Kanzlei in Wien. Wie vereinbar ist der Beruf mit einer großen Familie?

Es ist eine Frage der Organisation und der persönlichen Lebensumstände. Mein Mann ist ebenso wie ich selbstständig, das erleichtert die Zeiteinteilung natürlich. Zudem verfüge ich über eine sehr strukturierte Persönlichkeit. Das heißt, ich schreibe das Drehbuch für den Familienalltag und dann haben alle Beteiligten die ihnen zugeteilte Rolle zu spielen. (lacht)

Glauben Sie, dass es den richtigen Zeitpunkt in der Karriere gibt, um Kinder zu kriegen?

Es gibt zu jedem Zeitpunkt etwas das gerade dagegen spricht. Natürlich sollten die Umstände nicht völlig unpassend sein. Wer aber auf den perfekten Zeitpunkt wartet, der wird nie Kinder haben.

Ihre Kanzlei spezialisiert sich auf Wirtschaftsstrafrecht – hatten Sie Vorurteile gegenüber Strafrecht?

Wirtschaftsstrafrecht ist letztlich ja auch Strafrecht. Mich reizt einfach die Herausforderung an der Schnittstelle von Wirtschaft und Recht zu arbeiten.

Wirtschaftsstrafrecht lernt man nicht oder sehr beschränkt im Studium. Hatten Sie zu Beginn „impostor-syndrome“? Und falls ja, wie haben Sie es überwunden?

Die dahinterstehenden juristischen Mechanismen sind ja die gleichen, egal ob es sich um Wirtschaftsstrafrecht oder eine andere Fachrichtung handelt. Aber natürlich: man muss sich als Anwältin im Bereich Wirtschaftsstrafrecht erstmal ein grundlegendes Verständnis für ökonomische Zusammenhänge und wirtschaftliche Realitäten erarbeiten. Das ist einerseits herausfordernd, hat mir andererseits aber auch große Freude bereitet.

Welche besonderen Skills braucht man, um als Verteidigerin erfolgreich zu sein?

Eine profunde juristische Ausbildung, Freude am Umgang mit Menschen und die Fähigkeit sich schnell in neue Situationen hineinzudenken. Natürlich sollte man auch nicht auf den Mund gefallen sein.

Insbesondere im Strafrecht gibt es das Vorurteil, dass man als Frau sehr taff sein muss, um erfolgreich zu sein“ – stimmt das? Wie leben Sie Ihre „Taffness“?

Die Mandanten müssen zu jedem Zeitpunkt das sichere Gefühl haben, dass ihre Anliegen kompetent und auch mit der nötigen Vehemenz vertreten werden. Diese Anforderung an den Anwaltsberuf gilt aber für Frauen und Männer gleichermaßen.

Worauf haben Sie besonders im Rahmen Ihrer Kanzleigründung geachtet? Wollten Sie bewusst etwas Neues machen? Was verstehen Sie unter „Anwaltsboutique“?

Ich bin primär meinen persönlichen Interessen gefolgt und habe mich daher auf die Bereiche Wirtschaftsstrafrecht, Familien- und Aufenthaltsrecht spezialisiert. Zudem bin ich staatlich zertifizierter Compliance-Officer. Als Anwaltsboutique, also als eine extreme Eingrenzung auf nur ein Themengebiet, würde ich das nicht bezeichnen. Ich nehme durchaus eine breite Palette an anwaltlichen Aufgaben wahr.

Welchen ultimativen Karrieretipp haben Sie für junge Frauen?

Eignen Sie sich ein hervorragendes juristisches Wissen an und verkaufen Sie es niemals unter Wert.

Über Mag. Ulrike Pöchinger

Mag. Ulrike Pöchinger ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Sie ist auf allgemeines Zivilrecht, Familienrecht, Strafrecht und Fremdenrecht spezialisiert. Vor ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin war sie unter anderem im Europäischen Parlament, in Ministerkabinetten und als Unternehmensjuristin tätig. 

Alle Infos unter www.poechinger.at