Vorbilder-Reihe Paragraphinnen & ÖRAK: Mag. Katharina Braun
Die Vorbilder-Reihe für die moderne Anwältin: Im Gespräch mit Mag. Katharina Braun
Was lieben Sie an Ihrem Beruf als selbstständige Anwältin?
Ich liebe es, selbstbestimmt zu arbeiten. Mir ist es als Rechtsanwältin wichtig, dass die Mandate und Mandanten auch zu meinen Werten passen und ich selbst darüber entscheiden kann, wen ich vertrete und wen nicht. So würde ich niemanden vertreten wollen, der sein Kind missbraucht hat. Ich möchte hinter dem von mir Vertretenen wirklich stehen können. In der Praxis ist mitunter das „Aussondern“ von Fällen nach ethischen Gesichtspunkten zugegebenermaßen nicht immer einfach. Dies, da es natürlich vorkommen kann, dass der eigene Mandant gegenüber seiner Rechtsanwältin unehrlich ist. Wenn eine Klage nicht erfolgversprechend scheint, rate ich dem Mandanten von einer solchen ab. Ich denke, bis dato hatte ich jedoch im Großen und Ganzen ein gutes Händchen bei der Wahl meiner Mandanten und Mandate. Als Angestellte oder in einer Kanzleipartnerschaft hat man meist diese Freiheit betreffend die Auswahl der Mandate nicht. Insbesondere im Familienrecht herrscht sicher kein Akquisemangel: Ich habe also gewiss auch nicht den unternehmerischen Druck ein Mandat auf Biegen und Brechen übernehmen zu müssen. Geschieden und gestorben wird immer.
Ihr Weg führte von der Großkanzlei in die Selbstständigkeit. Was hat Sie motiviert, diesen Weg zu gehen?
Ich will selber entscheiden können und Verantwortung übernehmen. Mir geht es viel auch um sinnerfülltes Arbeiten und nicht um Umsatz um jeden Preis. In meiner Angestelltentätigkeit, wobei diese nun doch schon über 16 Jahre zurückliegt, wurden mitunter Schriftsätze produziert oder sonstige Tätigkeiten gesetzt, die, zugespitzt formuliert, möglicherweise mehr dem unternehmerischen Interesse der Kanzlei, als der Sache selbst dienlich waren. Ich möchte mich nicht in meinem Außenauftritt oder sonstigen Themen rund um meine anwaltliche Tätigkeit mit anderen abstimmen müssen. Ich habe sämtliche Formen der anwaltlichen Tätigkeit ausprobiert: Angestellte in einer kleinen Kanzlei, Angestellte in einer großen Sozietät, eingemietet in eine Kanzlei mit einem Zimmer, Regiepartnerin und nun schon seit über 12 Jahren alleine. Ich kann sagen „selbstbestimmt alleine“ arbeiten ist mir am liebsten. Das heißt ja nicht, dass man alleine ist. Ich arbeite immer wieder mit von mir sehr geschätzten Kollegen zusammen oder hole mir Expertise ein. Dies, wenn es um Fälle geht, bei denen Spezialwissen gefragt ist. Auch bespreche ich mich immer wieder mit Kollegen/Kolleginnen über Erfahrungen im Berufsalltag und frage diese nach deren Sicht der Dinge. So in etwa, wenn es um den Umgang zwischen Kollegen oder auch Richter und Rechtsanwalt bei Gericht geht. Da mache ich leider im Übrigen die Erfahrung, dass das Benehmen und der gute Umgang miteinander (welcher ja auch vom Standesrecht geschützt ist) im Vergleich zu früher nachlässt. Das finde ich sehr schade. Als Rechtsanwältin muss man sich bewusst sein, dass für die Mandanten ein Gerichtsgang meist als solches eine sehr stressige Situation ist. Diese muss und sollte nicht durch untergriffige, unsachliche Aussagen unnötig zusätzlich erschwert werden. Ein höfliches Auftreten gehört meines Erachtens zu einem guten Auftreten einer Rechtsanwältin dazu. Leider ist dem oft nicht mehr so, und die Mandanten empfinden das auch als Respektlosigkeit ihnen gegenüber.
Was hätten Sie in Ihrer Karriere gerne früher gewusst?
Weniger ist oft mehr. Ich war eine Zeit lang sehr aktiv, war viel auf Netzwerktreffen, habe ganz viele unterschiedliche Aktivitäten gemacht um meine Selbständigkeit zu fördern: Vorträge, Publikationen, Netzwerktreffen etc. Rückblickend würde ich sagen; soviel hätte es nicht bedurft😊 Man/ Frau soll auf ihre Energie achten und bei jeder Aktivität vorab sondieren: Was bringt mir das wirklich? Ist es den Input wert? Wichtig ist es, Ruhepausen einzuplanen und mit den eigenen Ressourcen sorgsam umzugehen. Denn neben der Berufstätigkeit wird man auch sonst im Leben mit vielen Herausforderungen konfrontiert und man soll ja auch vor allem viel Zeit für seine Familie und Freunde haben. Daher: Zeit ist kostbar.
Durch Ihre Arbeit als Fernsehredakteurin für den ORF und als regelmäßige freie Mitarbeiterin für die Tageszeitung “Die Presse” verfügen sie über umfassendes Medien Know-How. Was hat Sie dennoch bewogen, die Laufbahn als Rechtsanwältin einzuschlagen?
Der Job als Fernsehredakteurin hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht und ich möchte diese Zeit nicht missen. Ich war auch bei Pilotprojekten, also bei der Entwicklung von neuen Fernsehformaten, federführend dabei. Nicht nur, dass die mediale Branche bekanntlich sehr umkämpft und mit vielen Unsicherheiten versehen ist, fehlte mir jedoch das anwaltliche Arbeiten. Denn für mich ist der Job einer Rechtsanwältin vergleichbar mit der Tätigkeit einer guten Schachspielerin. Als Rechtsanwältin überlegt man sich bei jedem Zug den Gegenzug. Ich schätze den Diskurs und die Pro und Contra Rede. Als Rechtsanwältin hat man immer wieder mit neuen intellektuellen Herausforderungen zu tun und bekommt Einblicke in die unterschiedlichsten Branchen. Das ist bereichernd.
Sie legen bei Ihrer Arbeit Wert auf eine Zusammenarbeit mit Experten aus verschiedenen Fachgebieten. Wie konnten Sie sich Ihr interdisziplinäres Netzwerk aufbauen?
Der Aufbau eines guten Netzwerks braucht seine Zeit und muss langsam wachsen. Drum prüfe, wer sich binde. Von einigen Kooperationspartnern und -partnerinnen – und ich denke, ich stehe mit dieser Erfahrung als Selbständige gewiss nicht alleine da – musste ich mich nach einiger Zeit wieder trennen. Dies, weil die Zusammenarbeit nicht meinen Erwartungen entsprach. Mit meinen jetzigen Kooperationspartnern arbeite ich schon seit vielen Jahren zusammen und bin mit diesen sehr zufrieden.
Im Familienrecht werde ich oft nach Therapeuten gefragt und ich bin da immer wieder mit neuen Therapeuten im Gespräch. Denn viele Therapeuten scheinen derzeit aufgrund des starken Arbeitsanfalls (viele Menschen stehen psychisch sehr unter Druck) ausgebucht, sodass es da immer wieder einen neuen Bedarf gibt. Besonders im anstrengenden Bereich der Paartherapie ist es für Mandanten mitunter gar nicht einfach einen Platz bei einem guten Therapeuten zu bekommen. Dies auch außerhalb des Kassenbereichs. Bei Nennungen von Experten an Mandanten/Mandantinnen sage ich diesen immer: “ Machen Sie sich selbst ein Bild.“ Denn es muss natürlich auch die persönliche Chemie stimmen.
Sie haben auch eine Ausbildung zur Mediatorin. Was würden Sie jungen Frauen raten, die diesen Schritt ebenfalls machen wollen?
Ich will ehrlich sein: gerade im Familienrechtsbereich hat sich für mich die Mediation nicht bewährt. Denn bei einer Mediation ist man eben nur Vermittlerin und die „Lösung“ liegt bei den Mandanten selbst. Doch diese sind oft mit der Situation insgeheim überfordert und wünschen für sich eine aktive anwaltliche Unterstützung. Zudem kommt, dass gerade im Familienrechtbereich ohnedies viele Experten involviert sind, zB Eltern, Erziehungsberater und Familiengerichtshilfe. Die Menschen haben keine Zeit von „Pontius zu Pilatus“ zu rennen. Zudem sind die dahinter schwelenden Ängste und Konflikte relativ schnell aufgedeckt: Angst die Kinder zu verlieren, Angst sich das neue Leben nicht leisten zu können. Auch wenn man noch so umfassend aufklärt, ist es mitunter schwierig, unrichtige Vorstellungen der Klienten betreffend Mediation aufzulösen. So glauben eben nach wie vor einige, dass es sich bei der Mediation um eine Art verpflichtende Paartherapie vor einer Scheidung handelt oder sie verstehen es nicht, warum man als Mediator nicht Partei ergriffen hat (was man ja als Mediatorin eben nicht darf). Ich arbeite zwar immer wieder mit Mediatoren zusammen, biete aber aktiv keine Mediationen mehr an. Bei Scheidungen, aber auch im Erbrecht hat sich das Zusammensetzen mit Mandanten und gegnerischem Rechtsanwalt als zielführend und für die Mandanten effizient herausgestellt. Da können oft sehr gute Lösungen erarbeitet werden. In hochstrittigen Fällen kann es auch sehr sinnvoll sein, dass sich die Rechtsanwälte ohne ihre Mandanten austauschen. Dies natürlich in Absprache mit dem Mandanten.
Wenn Sie eine Sache im Berufsstand der RechtsanwältInnen ändern könnten, welche wäre das?
Wir Rechtsanwälte müssen regelmäßig Verfahrenshilfen übernehmen. Hier sollte bei der Zuteilung nach Möglichkeit auf das Fachgebiet des jeweiligen Kollegen geachtet werden. Dies indem der jeweilige Rechtsanwalt zB Fachgebiete bekannt gibt. Denn ein Vergaberechtler gelangt zB mit der Zuteilung einer Scheidungsverfahrenshilfe schnell an seine Grenzen. Denn gerade bei einer Scheidung spielen oft ganz viele andere Gebiete hinein: Fremdenrecht, Sozialversicherungsrecht, Mietrecht. Da muss man für die Bearbeitung wirklich sattelfest sein. Ich könnte mir vorstellen, für die Verfahrenshilfen einen Pool zu implementieren, in den sich sowohl junge/ neue Kollegen/ Kolleginnen anmelden können, die bereit wären Verfahrenshilfen zu übernehmen, als auch solche die gegen Kostenbeteiligung ihre ihnen von der Rechtsanwaltskammer zugeteilten Verfahrenshilfen an Kollegen/ Kolleginnen abgeben.
Auch das Rechtstudium gehört für junge Menschen attraktiver gemacht. Derzeit höre ich von jungen Leuten, dass für diese ein Jusstudium äußerst spießig und staubtrocken gilt. Es sollen in den sozialen Medien Fotos kursieren, bei denen Juristen mit dicker Brille und sehr konservativem Outfit zu sehen sind. Die Fotos sind tituliert mit: „Willst Du so enden?“ Es braucht bereits im Studium mehr Praxisnähe. Es sollten im Studium aktuelle Rechtsfälle besprochen werden und sollen soft skills wie Auftritt und Rhetorik gefördert werden. Denn die sozialen Fähigkeiten sind letztlich auch jene, welche uns von der Künstlichen Intelligenz abgrenzen und so unsere Wettbewerbsfähigkeit sichern.
Sie treten auch oft als Vortragende auf. Worauf legen Sie Wert bei Ihren Vorträgen? Welchen Rat können Sie jungen Frauen geben, die auch gerne vortragen möchten?
Gerade im Recht ist es mitunter schwierig, die doch mitunter staubtrockene juristische Kost gut verständlich aufzubereiten. Ob für Fachpublikum oder Laien; ich achte darauf, Vorträge mit vielen Praxisbeispielen anzureichern. Ein gewisser Unterhaltungscharakter muss dabei sein. Ich bin ein Fan der freien Rede. Ein Ablesen von irgendwelchen PowerPoint Folien finde ich furchtbar. Schauen Sie bei all Ihren Außenauftritten, dass ihr Publikum einen Mehrwert davon hat und Sie einen guten Eindruck hinterlassen.
Wie definieren Sie für sich Erfolg?
Für mich zählt zum Lebenserfolg natürlich nicht nur der berufliche, sondern auch der menschliche Erfolg. Beruflich erfolgreich zu sein, ohne einem positiv gesonnenen Menschen, mit denen man die Freude an seinen Erfolgen teilen kann, ist eine einsame Angelegenheit. Hinterlassen Sie bei Ihrem Gegenüber Spuren, setzen sie sich für jene ein, die ihrer Unterstützung wirklich bedürfen und diese auch verdienen.
Als erfolgreiche Rechtsanwältin werden sie viel Bewunderung erfahren. Sie brauchen jedoch einen starken und selbstbewussten Partner/ Partnerin, der damit umgehen kann und sie in ihrer Karriere stärkt und fördert. Seien Sie also auch selektiv in ihrer Partner-/Partnerinnenwahl.
Welchen ultimativen Karrieretipp haben Sie für junge Juristinnen?
Haben Sie als Mensch und Rechtsanwältin Ecken und Kanten. Seien Sie höflich, aber bestimmt. Wissen Sie was Sie wollen und fordern das auch ein. Hören Sie gut zu, und halten sie sich, auch gesellschaftliche und politische Themen betreffend, up to date.
Überlegen Sie sich für welches Thema Sie brennen. Wenn dies zB der Tierschutz ist, publizieren Sie, zeigen Sie Missstände auf. Dieses Engagement erweckt Aufmerksamkeit und generiert automatisch neue Mandate. Gerade wir Frauen sind oft zu freundlich und hilfsbereit. Das wird schamlos ausgenutzt. So wurde in meiner Anfangszeit mein Wissen oft von Kollegen/Kolleginnen angezapft. Dies ist ja grundsätzlich okay, doch hat das wirklich überhandgenommen. Da haben doch tatsächlich etwa mir komplett unbekannte Kollegen aus Westösterreich angerufen, welche sich von mir beim Thema Witwenpension nach der Scheidung oder sich in ihrer eigenen Scheidung unentgeltlich beraten lassen wollten. Diese riefen mich an, weil sie im Internet auf mich gestoßen waren und sahen es geradezu als selbstverständlich an, dass ich mir für deren Anliegen gleich Zeit nehme. Nun, derartiges habe ich mir sehr schnell abgestellt. Im Übrigen höre ich von männlichen Kollegen kaum, dass diese mit derartigen Anfragen konfrontiert werden. Derartiges kommt verstärkt bei weiblichen jungen Kolleginnen vor.
Des Weiteren als junge Kollegin wird man immer wieder zur Übernahme von dubiosen Mandaten zB solchen mit Auslandsbezug, kontaktiert. Hier gilt: Achtung große Gefahr – lieber ablehnen! Sie kommen sonst in Teufels Küche!
Ziehen Sie klare Grenzen: haben Sie fixe Telefonzeiten, bleiben Sie mit Mandanten freundlich, aber distanziert. Denken Sie an den Schutz ihrer Privatsphäre und seien Sie sich bewusst, dass die Menschen bei Ihren Posts in den sozialen Medien die Rechtsanwältin von Ihrer Person nicht trennen. Überlegen Sie sich genau, wie Sie wahrgenommen werden wollen.
Seien Sie zudem sehr zurückhaltend mit rechtlichen Freundschaftsdiensten. Alles was nichts kostet, wird nicht geschätzt. Genauso Vorsicht mit der Übernahme vom „Pro Bono“ Aktivitäten. Wenn schon, muss es sich wirklich um eine gute Sache handeln, die ihren Einsatz und Ihre Zeit auch wirklich wert ist. Prüfen Sie da die Informationen, die man Ihnen gibt, ganz besonders genau. Denn sonst arbeiten Sie am Ende nicht nur unentgeltlich, sondern sind auch enttäuscht, wenn die Sache für die Sie sich vor den Karren haben spannen lassen, doch nicht so eine Gute ist, wie Sie anfänglich glaubten. Last but not least: achten Sie auf die schriftliche Dokumentation Ihrer rechtlichen Aufklärung (zB Chancen/ Risiken eines Gerichtsverfahrens).
Zusatztipps für die Rechtsanwaltsprüfung:
Schauen Sie sich an, welche Fragen Ihre Prüfer bei früheren Prüfungsterminen stellten (in Wien sogenannte „Walzen“-Fragen). Was sind die beruflichen Schwerpunkte Ihrer Prüfer? Versetzen Sie sich in die Situation Ihres Prüfers, was könnte dieser prüfen? Womit beschäftigt sich Ihr Prüfer beruflich? So stellte ich schon mehrmals bei Prüfungen die Frage, wann der Abschluss eines Ehevertrages Sinn machen könnte, was kann man mit diesem regeln, welche Formvorschriften gibt es? Zu meiner Überraschung konnte diese Frage noch nie beantwortet werden. Wichtig sind bei der Rechtsanwaltsprüfung Hausverstand und ein gutes Auftreten. Meiden Sie Füllsätze wie „Meinem Wissen nach…“ (ja welchem Wissen nach denn sonst, wenn nicht dem Ihrem als Prüfungskandidatin?). Ich prüfe so, als wäre ich der Mandant des Kandidaten. Bei der Frage, welche Empfehlung würden Sie dem Mandanten geben, geben Sie dem Prüfer eine klare Antwort. Wichtig ist, dass Sie den Prüfern zu verstehen geben, dass Sie in der Lage sind eine Nutzen/Risiko Einschätzung zu treffen und Haftungsrisiken erkennen und meiden. Zudem sollten Sie in der Lage sein, zu erkennen, dass nicht alles was ein Mandant will, rechtlich umsetzbar ist. Denn diese Fähigkeit ist in der Praxis von großer Bedeutung. Schauen Sie sich aktuelle Gesetzesreformen und Oberste Gerichtshofentscheidungen an!
Mag. Katharina Braun
Mag. Katharina Braun ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Außerdem schloss sie eine Ausbildung zur Mediatorin ab und ist regelmäßig als Vortragende tätig. Sie verfügt über berufliche Erfahrungen als Redakteurin und als freie Journalistin. Mag. Katharina Braun ist als Prüfungskommisärin für die Rechtsanwaltskammer Wien tätig.
Foto: Doris Mitterer