Vorbilder-Reihe Paragraphinnen & ÖRAK: Mag. Elisabeth Mitterbauer

Was glauben Sie ist das größte Vorurteil gegenüber Einzelanwältinnen?

Persönlich bin ich noch nie mit einem Vorurteil gegenüber Einzelanwältinnen konfrontiert worden und sehe eigentlich sowohl für mich als auch für meine KlientInnen nur Vorteile darin, alleine als Anwältin zu arbeiten. Meine KlientInnen haben ausschließlich mich als Ansprechperson und das gewährleistet umfassende rechtliche Betreuung und enge KlientInnenbindung, die mittlerweile teilweise über Jahrzehnte besteht.

Was sind die Vorteile, wenn man als Einzelanwältin tätig ist? Gibt es Nachteile?

Ein großer Vorteil, Einzelanwältin zu sein, ist der Umstand, selbstbestimmt Entscheidungen treffen zu können sowie die Flexibilität der Arbeitszeit. Ich alleine entscheide, wann, wo und wie ich arbeite und welche Mandate ich annehme bzw. auf welche Rechtsgebiete ich mich spezialisiere. Das bedeutet aber auch, dass die ganzen organisatorischen Abläufe, Klientenakquise, etc. einem selbst überlassen bleiben und auch wertvolle Zeit beanspruchen. Dazu empfehle ich ein gutes Zeitmanagement.

Hatten Sie jemals Sorgen in Bezug auf die Kanzleigründung? Wie sind Sie mit diesen umgegangen?

Vor der Gründung einer Einzelkanzlei gehen einem viele Fragen durch den Kopf, das ist selbstverständlich und sicher nicht anders, als bei anderen UnternehmerInnen, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Ich persönlich hatte Sorge, ob ich dieser Herausforderung gewachsen bin, insbesondere im Hinblick auf  Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dann auch das große Fragezeichen, kann ich eine Kanzlei wirtschaftlich führen, was bleibt am Ende des Monats für mich übrig und lohnt sich das alles? Ich konnte durch den Erfahrungsaustausch mit anderen KollegInnen viele Fragen klären und wurden mir so auch die Ängste und Zweifel genommen. Ich kann jeder jungen Kollegin nur raten, sich nicht zu scheuen, Fragen konkret und direkt anzusprechen und sich Rat bei älteren Kolleginnen zu suchen.

Was hätten Sie in Ihrer Karriere gern früher gewusst? 

Dass zum Führen einer erfolgreichen Kanzlei nicht nur Fachwissen und gute Ausbildung gehört, sondern auch andere Fertigkeiten und ein gutes Netzwerk wichtig sind, das hätte ich vielleicht gerne früher gewusst. Heute reicht es meiner Meinung nach nicht mehr aus, ein Schild „Anwältin“ vor die Haustüre zu hängen und zu warten, bis die ersten KlientInnen ihren Weg in die Kanzlei finden. MandantInnen finden einen nicht, man muss sie schon selbst suchen.

Wie definieren Sie für sich Erfolg?

Erfolg in beruflicher Hinsicht bedeutet für mich, das Glück zu haben, einen Beruf ausüben zu dürfen, der mich erfüllt. Mein privater Erfolg ist ganz klar meine Familie, die den beruflichen Erfolg mitträgt.

Vorurteil: kleine Kanzleien sind langweilig. Warum ist diese Aussage unrichtig?

Kleine Kanzleien sind alles andere als langweilig. Die juristische Vielfalt ist in kleineren Strukturen einzigartig. Ich schätze dabei auch den engen KlientInnenkontakt, den man in Großkanzleien sicher nicht in dieser Intensität hat. Gerade der oft sehr persönliche Kontakt zu den KlientInnen ist es , den ich so zu schätzen weiß, auch deren hautnahes Feedback, egal ob positiv oder negativ, aus dem ich viel lernen konnte und noch immer lernen kann.

Wie wichtig ist Kollegialität unter Juristinnen? Falls fällt postiv und was negativ auf?

Kollegialität ist ein absolutes MUSS in unserer Branche und ehrlich gesagt erlebe ich diese auch in meinem beruflichen Umfeld. Positiv fällt mir auf, dass sich heutzutage viele junge Kolleginnen auf gleicher Augenhöhe begegnen, was in meinen Anfangsjahren vielleicht noch nicht ganz so der Fall war.

Wie kann man sich in Oberösterreich am besten mit Kolleginnen und Kollegen vernetzen?  

Für Oberösterreich bzw. das Innviertel gesprochen kann ich sagen, dass wir Anwältinnen einen sehr guten und kollegialen Austausch pflegen, was sich generell positiv auf die Anwaltschaft insgesamt auswirkt. Schade finde ich, dass für viele Kolleginnen in OÖ die Notwendigkeit der Vernetzung noch nicht den Stellenwert hat, den die männlichen Kollegen dem Netzwerken zuschreiben. Daran müssen wir Frauen aber generell noch arbeiten.

Welchen ultimativen Karrieretipp haben Sie für junge Frauen?

Sich so früh wie  möglich mit Kolleginnen auszutauschen und Netzwerke nutzen, nicht nur das Studium und die berufliche Ausbildung als Garant für ein erfolgreiches Berufsleben sehen, das wäre mein Karrieretipp.

Welche Änderungen im Stand sind notwendig, um den Anwaltsberuf attraktiver zu machen?

Um den Anwaltsberuf wieder attraktiver zu machen, reicht es nicht aus, beispielsweise das Pensionssystem zu ändern. Das ist sicher auch wichtig, aber für sich allein betrachtet nicht unbedingt ausschlaggebend für junge Kolleginnen, in der Anwaltschaft zu bleiben oder nicht. Ich beobachte seit Jahren, dass viele junge Kolleginnen ihre Ausbildung zu Ende machen, dann aber einen ganz anderen Weg einschlagen fern ab der Anwaltschaft. Dies gilt es in Zukunft zu verhindern, da geht enorm viel Potential verloren. Es braucht vielleicht neben den notwendigen Anpassungen im Pensionssystem und bei der Krankenversicherung einen Imagewandel, weil wir uns generell in einem gesellschaftpolitischen Umbruch befinden, Stichwort Work-Life -Balance. Da sehe ich aber eine Chance für die Einzelanwältin und deren Vorteil in der freien Zeiteinteilung und besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Mag. Elisabeth Mitterbauer