Sie sind seit Jahren selbstständige Anwältin. Was lieben Sie an Ihrem Beruf?
Ganz klar: Die Vielfalt. Die anwaltliche Tätigkeit bietet eine großartige Basis dafür, sich in verschiedene Richtungen zu entwickeln und auch die Tätigkeitsschwerpunkte im Laufe des Berufslebens verändern zu können.
Sei es, weil man „nur“ die Rechtsgebiete wechselt; sei es, weil man die Chance hat, mit ganz unterschiedlichen KlientInnen (Private, B2B, nur bestimmte Branchen,..) zusammenzuarbeiten. Oder sei es, weil man die Anwaltei in verschiedenen Ausübungsformen (alleine, zu zweit, in der Großkanzlei, in der Boutique, als Substitutin, als Salary Partnerin, als Counsel, und so weiter und so fort) kennenlernt oder weil man die gewonnene Erfahrung auch in anderen Gebieten (Lehre etc) einsetzen kann. Oder …😊
Kurzum: Die Möglichkeiten, sich innerhalb des Berufs weiterentwickeln und neu definieren zu können, sind aus meiner Sicht von unschätzbarem Wert.
Was waren die stärksten Beweggründe für die Selbstständigkeit?
Letztlich ausschlaggebend war der Wille und die Freude daran, unternehmerisch tätig sein können. Der Wunsch, aktiv gestalten zu können – und zwar nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern auch die Inhalte – war für mich der größte Antrieb.
Welche Facetten des Berufs haben Sie lieben lernen müssen?
Ich würde jetzt gerne antworten, dass ich die Zeiterfassung im Rahmen der Stundensatz-Abrechnung im Laufe der Jahre lieben gelernt habe, aber – nein, nicht wirklich…😊 Und so gibt es auch noch viele weitere Details der Berufsausübung, die ich schlichtweg nicht gerne mache. Das Gute daran: Bis zu einem gewissen Grad sind viele Aspekte veränderbar (man muss ja nicht zwingend nach Stundensatz abrechnen 😉). Was nicht – jedenfalls nicht alleine – veränderbar ist, sind die Rahmenbedingungen der Berufsausübung, von Grundkostenstruktur bis hin zu Pensionssystem. Diese Rahmenbedingungen den veränderten Bedürfnissen einer neuen Arbeitswelt und neuen AnwältInnen-Generation anzupassen, halte ich für eine der wichtigsten Aufgaben – und zugleich größten Herausforderungen – der Branche. Ganz wichtig finde ich daher die Initiativen – sowohl von den Standesvertretungen als auch von einzelnen KollegInnen -, die sich dieser Herausforderung stellen und einen Diskurs in der Branche anregen.
In einer Podcast-Folge haben Sie darüber geredet, wie man standesrechtlich disziplinär wird. Das Thema Social-Media ist in der Gen Z stärker verankert als je zuvor. Muss man als angehende Anwältin auf die Medienpräsenz besonders achten? Wo sind die standesrechtlichen Grenzen?
Ist die Medienpräsenz ein Muss?: Nein. Bietet eine Präsenz in den sozialen Medien großartige Chancen: Jedenfalls!
Hier hat aus meiner Wahrnehmung heraus wirklich ein massiver Wandel stattgefunden: Als ich 2005 als Konzipientin begonnen habe – und auch, als ich 2010 als Anwältin eingetragen wurde – war eine Präsenz in den sozialen Medien eher die Ausnahme als die Regel (und für mich auch tatsächlich irrelevant). Den großen Vorteil einer Social Media Präsenz sehe ich gerade für BerufseinsteigerInnen: Ein Account ermöglicht es, eine – von der jeweiligen Ausbildungskanzlei losgelöste – Personenmarke aufzubauen. Das kann sowohl beim Aufstieg in der gleichen Kanzlei als auch bei einer beruflichen Veränderung (insbesondere, wenn man selbst gründen möchte) sehr hilfreich sein. Ich höre auch von mehreren KollegInnen, dass sie mittlerweile viele MandantInnen über Social Media akquirieren – das ist natürlich von der jeweiligen (KlientInnen-)Zielgruppe abhängig, ist aber jedenfalls toll.
Standesrechtliche Grenzen sind dort gezogen, wo der Auftritt gegen die spezifischen berufsrechtlichen Vorschriften verstößt oder ganz allgemein Ehre oder Ansehen des Standes verletzt. Hier sind bei Social Media Posts insbesondere die Punkte „Verschwiegenheit“ und „Nennung von KlientInnen“ zu beachten. So reizvoll es sein mag, nach einem Verhandlungserfolg von Details zu berichten – ohne deren ausdrückliche Einwilligung dürfen MandantInnen nie genannt werden und die anwaltliche Verschwiegenheit auch nicht im Wege von „Andeutungen“ ausgehöhlt werden.
Sie treten auch oft als Vortragende auf. Was hat Sie dazu motiviert und welche Tipps haben Sie für junge Frauen, die auch gerne vortragen möchten?
Mein allererster Berufswunsch, so ca mit 9 Jahren: Schauspielerin. Ein kleines bisschen kann ich diesen Traum nun als Vortragende leben: Es gibt eine „Bühne“ und ein „Publikum“. Nein, im Ernst: Ich mag einfach die Interaktion mit der Gruppe sehr, sehr gerne.
Und Wissensvermittlung und lebenslanges Lernen sind wirklich Herzensanliegen von mir: Gerade Vorträgen zu Rechtsthemen wird ja oft von Nicht-JuristInnen mit, sagen wir mal, Skepsis begegnet – umso schöner ist es, wenn es gelingt, diese Inhalte für die TeilnehmerInnen greifbar zu machen. Und gleichzeitig bietet jeder Vortrag für mich die Möglichkeit, mein eigenes Wissen up to date zu halten und zu erweitern.
Mein Tipp für alle, die es ausprobieren wollen: Seid sichtbar mit euren (Fach-)Themen – publiziert, postet, besucht einschlägige Fachveranstaltungen etc. Und: Vernetzt euch mit anderen Vortragenden (gerne auch mit mir). Ich habe schon mehrfach KollegInnen für Vortragstätigkeiten empfohlen und bin meinerseits mit meinen Themen von anderen Vortragenden empfohlen worden.
Sie sind nicht nur Anwältin und Vortragende, sondern auch Mutter. Welche Vorteile hat die Selbstständigkeit in Bezug auf die Familie? Gibt es Nachteile?
Der größte Vorteil ist für mich die Flexibilität. Auch jetzt, wo meine beiden Söhne bereits älter sind, kommt es mir im Alltag sehr zugute, dass ich meine Termine und Arbeitszeiten überwiegend selbst einteilen kann. Dieser Umstand ist übrigens aus meiner Sicht nicht nur in Bezug auf Familienzeit, sondern auch ohne Kinder ein großer Vorteil: Man kann selbst gestalten, wieviel Raum man seinen jeweiligen sonstigen Interessen geben möchte.
Selbstredend gesellen sich zu den Vorteilen auch Nachteile: Das beginnt schon gleich zu Beginn der Familiengründung damit, dass man nicht einfach in „Mutterschutz und Karenz gehen kann“ und setzt sich auch dann, wenn die Kinder älter sind, in dem simplen Grundsatz fort, dass man SELBST & STÄNDIG für sein Einkommen verantwortlich ist.
Was hätten Sie in Ihrer Karriere gern früher gewusst?
Ich hätte gerne früher Einblicke in das reale Arbeitsleben von AnwältInnen gehabt und mir gerne auch schon während meines Studiums mehrere verschiede Ausübungsformen – von der Großkanzlei bis zur Einzelkämpferin – angesehen. In meinem engeren Familienkreis gab es keine AnwältInnen und ich hatte, ehrlich gesagt, völlig unrealistische Vorstellungen von der Praxis. Ferialpraktika sind hier aus meiner Sicht zwar ein erster und guter Schritt, aber oft hat die PraktikantInnen-Tätigkeit dann doch recht wenig mit dem späteren Arbeitsleben als Konzipientin bzw als Anwältin zu tun, wenn es auch – wie immer – Ausnahmen gibt.
Deswegen finde ich auch Initiativen und Netzwerke wie die Paragraphinnen so wichtig: Je früher man in einen Austausch mit PraktikerInnen kommt, desto besser.
Wie definieren Sie für sich Erfolg?
Ich würde sagen: als Zufriedenheit. Zufriedenheit mit dem Erreichten und ein In-Sich-Ruhen, bei dem man gleichzeitig nicht die Kuriosität auf Neues aufgegeben hat.
Welchen ultimativen Karrieretipp haben Sie für junge Frauen?
Seid euch eures Wertes bewusst!
Und: Keine Scheu vor dem Netzwerken! Für mich persönlich ganz wichtig ist dabei auch der Punkt des Netzwerkens mit anderen KollegInnen: Die Wahrnehmung, dass KollegInnen letztlich nur WettbewerberInnen um „den gleichen KlientInnen-Kuchen“ sind, kann ich nicht bestätigen. Ich habe gerade als Einzelanwältin enorm von Kooperationen mit KollegInnen profitiert und lerne auch nach wie vor durch den Austausch mit anderen KollegInnen am allermeisten. Einen Netzwerkaufbau auch und gerade unter KollegInnen finde ich daher ganz wichtig.
Welchen Buch- oder Film-Tipp haben Sie für junge Frauen?
Simon Sinek’s „Start with WHY“. Das anwaltliche Ausbildungsverhältnis ist ja klar strukturiert. Die Karriereschritte – insbesondere auch die Rechtsanwaltsprüfung – nicht nur „abzuhaken“, sondern sich auch mit seinen inneren Motivationen & Zielen zu beschäftigen, finde ich enorm wichtig. „Start with WHY“ ist gerade in Phasen der beruflichen Orientierung eine großartige Erinnerung daran, den Fokus zunächst auf das „WARUM?“ anstatt auf das „WAS?“ zu legen.
Und als Filmtipp: „RBG“, der Dokumentarfilm über Ruth Bader Ginsburg. Er macht mich dankbar für das, was frühere JuristInnen-Generationen für uns an Vorarbeit geleistet haben. Und einfach eine beeindruckende Frau. 🙂