Vorbilder-Reihe Paragraphinnen & ÖRAK: Dr. Birgitt Breinbauer LLM.

Nach über 30 Jahren als Anwältin, was lieben Sie am meisten an Ihrem Beruf? Was waren Ihre Herausforderungen als junge Anwältin?

Ich wäre nie als Anwältin glücklich gewesen, die nur hinter dem Schreibtisch sitzt, diffizile Rechtsfragen studiert, keinen Klientenkontakt hat und nicht zu Gericht geht. Ich liebe das Klientengespräch und die Auseinandersetzung mit Positionen der Gegenseite bei Gericht.

Die größte Herausforderung als junge Anwältin war, den eigenen Klienten, aber auch  den Anwälten der Gegenseite und den (damals noch vorwiegend männlichen) Richtern zu zeigen, dass ich ernstzunehmen bin.

Ich habe im Jahr 1981 als Rechtsanwaltsanwärterin begonnen. Da war ich 22 Jahre alt. Anwältinnen gab es wenige. Da es nicht meine Art ist, mich mit akademischen Graden vorzustellen, wurde ich in vielen Fällen von den Klienten meines Chefs nicht als Rechtsanwaltsanwärterin, sondern als Sekretärin betrachtet.

Welche Eigenschaften und/oder Fähigkeiten glauben Sie, muss man haben, um in der Anwaltei erfolgreich zu sein?

Anwältinnen und Anwälte müssen in der Lage sein, klar zu denken und klar zu formulieren. Sie dürfen sich nicht scheuen, die Dinge auf den Punkt zu bringen und auch unangenehme Wahrheiten zu vermitteln. Resilienz gegen Anfeindungen von außen ist notwendig.

Als Anwältin in Familien- und Erbsachen, arbeiten Sie oft an emotionalen Fällen. Wie gehen Sie mit Emotionalität im Beruf um? Haben Sie Tipps für den Umgang mit schwierigen Emotionen?

Es ist tatsächlich so, dass familienrechtliche Auseinandersetzungen gerichtlich wie außergerichtlich hohe Emotionen hervorrufen. Häufig sind Anwältin/Anwalt Feindbild der Gegenseite. Immer wieder gibt es Prozessgegner, die den Vertreter der Gegenseite persönlich für das Scheitern der Zukunftserwartungen verantwortlich machen.

Wichtig ist, dafür zu sorgen, dass man als Anwältin nicht persönlich Thema des Streits wird. Einlassungen persönlicher Art sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Auch wenn es nicht immer gelingt, ist es sicher zweckmäßig, sich als Anwältin nicht zu sehr persönlich in den Streit involvieren zu lassen.

Ein konfliktfreies harmonisches eigenes Privatleben hilft sehr, mit schwierigen Situationen umzugehen.

Seit Jahrzehnten sind Sie sehr engagiert im Stand. Seit 8 Jahren sind Sie auch Präsidentin der RAK in Vorarlberg. Welche Änderungen wünschen Sie sich für junge Eltern im Stand? Sind Änderungen in Planung?

Ich war seit dem Jahr 1988 in die Standespolitik involviert, zunächst als Ausschussmit glied der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer, dann als deren Vizepräsidentin und die  letzten 12 Jahre als Präsidentin dieser Kammer.

Ich habe im Oktober 2022 nach 3 abgeschlossenen Perioden nicht ein weiteres Mal  kandidiert, weil ich der Auffassung bin, dass ein Wechsel in der Führungsebene der allen Institutionen zu gegebener Zeit guttut. 

In meiner Zeit als Standespolitikerin hat sich in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben Einiges getan, aber nicht so viel, wie wir uns gewünscht haben und  auch nicht mit der Geschwindigkeit, die wir gerne gehabt hätten. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Anwaltschaft mit junger Elternschaft  problemlos vereinbar wäre. Die Umsetzung dieses Wunsches ist allerdings nicht ganz einfach.

Die hohen Kosten einer Anwaltskanzlei lassen sich oft nicht mit Teilzeitbeschäftigung vereinbaren. Außerdem sind Anwälte bezüglich der Termine extrem fremdbestimmt. Sie müssen sich an von Gerichten und Behörden vorgegebenen Termine und Fristen halten.

Was hätten Sie in Ihrer Karriere gern früher gewusst?

Grundsätzlich habe ich mir bei der Berufswahl meinen Beruf so vorgestellt, wie er sich tatsächlich entwickelt hat. Wenn Sie mich fragen, was ich gerne früher gewusst hätte, so fällt mir dazu gar nicht  so viel ein. Erfahrungen kann man nun einmal nur durch eigene Wahrnehmungen machen.

Wichtig erscheint mir, dass man von der ersten Minute als Anwältin versucht, nicht  persönlich Teil der Auseinandersetzung zu werden und zu akzeptieren, dass (auch  schmerzliche) Niederlagen zum Anwaltsleben gehören, aber dadurch grundsätzlich  nicht die Qualität der eigenen Leistung in Frage gestellt ist.

Vorurteil: kleine Kanzleien sind langweilig. Warum ist diese Aussage unrichtig?

Kleine Kanzleien sind definitiv nicht langweilig. Das steht fest.

In kleinen Kanzleien kommt man mit einer Vielzahl von Fragen des rechtlichen Lebens in Kontakt. Ich habe nie in einer großen Kanzlei gearbeitet und kann daher die Unter schiede nicht beurteilen. Ich glaube, dass Arbeiten in einer Rechtsanwaltskanzlei generell nicht langweilig ist, egal wie groß sie ist.

Wie kann man als Vorbild für junge Kolleginnen und Kollegen auftreten? Wie kann man sich gegenseitig unterstützen?

Vorbild ist man wohl immer dann, wenn die Arbeit vom Beobachter als positiv beurteilt wird; dies wird vermutlich an der fachlichen Kompetenz und am Auftreten gemessen.

Ich bemühe mich, meine andere RechtsanwältInnen als KollegInnen und nicht als Feinbilder zu sehen. Es ist ein „NoGo“, die Person des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin des Gegenübers persönlich anzugreifen oder persönlich in den Streit  zu ziehen. Selbst Äußerungen zur Person des anderen Rechtsanwaltes sollten nach Tunlichkeit vermieden werden. Es ist einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass auch die Vertreter der Gegenseite ihre Arbeit machen und zwar so, die sie sie für richtig halten.

Welche unbewussten Fehler merken Sie, machen junge Kolleginnen und Kollegen?

Ich maße mir kein Urteil darüber an, ob Kollegen Fehler machen oder nicht, sei es bewusst oder unbewusst.

Wie kann man sich in Vorarlberg am besten mit Kolleginnen und Kollegen vernetzen?

In Vorarlberg ist das persönliche Gespräch immer noch die beste Form der Vernetzung.

Die Plenarversammlungen, die einmal jährlich stattfinden sind bei uns im Land gut besucht; sie werden dazu genützt, persönliche Kontakte knüpfen oder zu vertiefen.  Außerdem gibt es institutionalisierte Treffen von Rechtsanwaltsanwärter/innen, die je nach Engagement der mit der Organisation betrauten Rechtsanwaltsanwärter gut oder weniger gut besucht sind.

Welchen ultimativen Karrieretipp haben Sie für junge Frauen?

Ich habe keine Karrieretipps zu verteilen. 

Ich glaube, dass man sich in diesem Beruf dann durchsetzt, wenn man bereit ist, ernsthaft zu arbeiten, sich in die Materie zu vertiefen und Chancen und Risiken aufrichtig abzuschätzen. Darüber hinaus glaube ich, dass es wichtig ist, dass man auf sich achtet und sich nicht in den Strudel der Auseinandersetzung einbeziehen lässt. Falsch ist jedenfalls das Bild der Rechtsanwältin, die wenig tut, um viel Geld zu verdienen. Erfolgreich über Jahre und Jahrzehnte wird und bleibt man nur mit ernsthafter Arbeit.

Dr. Birgitt Breinbauer LLM.