Vorbilder-Reihe Paragraphinnen & ÖRAK: Dr. Barbara-Cecil Prasthofer-Wagner

Sie sind seit über 30 Jahren als Anwältin tätig. Was lieben Sie am meisten an Ihrem Beruf? Was waren die Herausforderungen?

Die Unabhängigkeit, den Kontakt mit Menschen und die Vielfältigkeit.

Wenn, dann war es die Gründung der eigenen Kanzlei. Ich wollte immer Anwältin werden, ich habe es nie als besondere Herausforderung gesehen – ich wollte es machen und habe es umgesetzt.

Sie werden von Ihren Kolleginnen und Kollegen als „genial und sehr taff“ bezeichnet. Wie taff muss man sein, um erfolgreiche Anwältin zu sein? Wie leben Sie Ihre Taffness?

Ohne Durchsetzungskraft hat man den Beruf verfehlt. Als Anwalt muss man ein Ziel vor Augen haben, dieses Ziel verfolgen und auch erreichen. Und das stetig und beharrlich.

Welche Vorurteile gibt es gegenüber Einzelanwältinnen? Was ist Ihre Meinung zu diesen Vorurteilen?

Ich nehme keine Vorurteile wahr und habe auch nie Vorurteile wahrgenommen. Vielleicht werden Einzelanwältinnen ohne große Kanzleistruktur als weniger stark empfunden – ich sehe aber eher das Gegenteil in meiner Branche. Im Familienrecht kommt einer Einzelanwältin der geschützte Raum und die Vertrauensbasis zugute.

Als Anwältin in Familien- und Erbsachen arbeiten Sie oft an emotionalen Fällen. Wie gehen Sie mit Emotionalität im Beruf um? Haben Sie Tipps für den Umgang mit schwierigen Emotionen?

Die nötige professionelle Distanz ist unverzichtbar. Man muss in der Lage sein sich abgrenzen zu können. Für die Interessen der Mandantschaft ist es – bei aller Empathie – wichtiger, die professionelle Distanz zu wahren als sich als Komplize zu positionieren. Ich habe zahlreiche psychologische Zusatzausbildungen absolviert und arbeite selbst aber regelmäßig unter Supervision. Genau aus dem Grund erscheint mir die Akzeptanz des menschlichen Problems ebenso wichtig wie die professionelle Distanz, um dem Anliegen der Mandantschaft langfristig und bestmöglich zu dienen.

Sie sind auch sehr engagiert im Stand. Wie hat sich der Beruf in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Wie glauben Sie, wird er sich in Zukunft weiterentwickeln?  

Dieses Engagement ermöglicht es mir, über den Tellerrand hinauszublicken. Engagement ist wichtig. Unsere Unabhängigkeit können wir nur durch die Standesarbeit legitimieren. Die Standesarbeit führt dazu, dass für den Fall der Fälle unsere Hinterbliebenen versorgt sind und zwar aus dem Stand heraus. Wir sind einer der ganz wenigen Berufsstände, wo Frauen und Männer tatsächlich gleichberechtigt sind – was die Arbeitsleistung, die Entlohnung und die Versorgung [mit Ausnahme des Umstandes, dass nach wie vor den Müttern im Stand im Rahmen der Versorgung keine Kindererziehungszeiten angerechnet werden] anbelangt.

Der Beruf des Anwalts ist im 21. Jahrhundert angekommen. Das Berufsbild ist vielfältig und ermöglicht der jeweiligen Anwältin ihren Interessen nachzugehen, eine Spezialisierung zu finden und sich darin zu verwirklichen. Der Markt ist offen für Vielfalt und die Spezialisierung trägt der Klientennachfrage Rechnung. Und auch Synergien sind unabdingbar und werden immer wichtiger.

Eine Anwältin wird es immer geben und sie wird immer gebraucht werden. KI wird Arbeiten abnehmen und Abläufe beschleunigen. ABER: Der persönliche Kontakt und die Zusammenarbeit mit dem Menschen wird als Konstante bestehen bleiben. Denn es ist nicht nur das Optimieren von logischen Abläufen, was einen Anwalt ausmacht, es kommt vor allem auf die Empathie und das Erfassen von (zwischen-)menschlichen Situationen und Bedürfnissen an. Darauf fußt die Lösungsfindung für den Mandanten. Und das kann nur ein Mensch.

Welchen Karriere-Tipp hätten Sie sich selbst zum Zeitpunkt Ihres Berufseinstieges gegeben? Was hätten Sie gerne früher gewusst?

Mehr Mut. Und das Leben hat mich gelehrt, es geht sich immer alles aus.

Welche unbewussten Fehler merken Sie, machen junge Kolleginnen und Kollegen? Wie kann man diese vermeiden?

Zu wenig Gelassenheit. Und Unsicherheit mit Arroganz zu kaschieren. Es ist klar, dass man gerade am Anfang des Berufslebens unsicher ist. ABER: Offenheit, Freundlichkeit und der Mut zur Gelassenheit öffnen einem Türen. Arroganz verschließt sie.

Wie kann man als Vorbild für junge Kolleginnen und Kollegen auftreten? Wie kann man sich gegenseitig unterstützen?

Mit Offenheit, Freundlichkeit und Gelassenheit. Mit Respekt und einem offenen Ohr für andere Standpunkte und Sichtweisen. Eine erfahrene Kollegin wird nie eine junge Kollegin ausrutschen lassen – das macht Souveränität aus.

Wie kann man sich in Graz am besten mit Kolleginnen und Kollegen vernetzen?  

Hoffentlich bald einmal beim Paragraphinnentreffen 😉

Weil das Thema sehr aktuell ist – glauben Sie, dass eine 4-Tages-Woche in der Anwaltei realistisch ist?

Sie fragen mich als Einzelanwältin und nicht als Angestellte in einer Großkanzlei. Daher lautet meine Antwort Nein – und das ist gut so, denn Anwältin ist man nicht nur 4 Tage die Woche – unser Beruf ist eine Berufung.

Dr. Barbara-Cecil Prasthofer-Wagner