Vorbilder-Reihe Paragraphinnen & ÖRAK: Dr. Astrid Schmidinger-Singer

Sie sind eine junge und selbstständige Rechtsanwältin in Innsbruck. Welche Vorurteile hatten Sie ursprünglich gegenüber der Anwaltei, und wie haben sich diese Vorurteile entwickelt?

Als Tochter eines Anwalts war mein größtes Vorurteil, dass man eine Kanzlei nur erfolgreich führen kann, wenn fast jedes Wochenende arbeitet. Ich arbeite sicherlich mehr als in einem klassischen 9 to 5-Job. Meine Kanzlei ist aber auch in Sachen Remote-Arbeit am Puls der Zeit und ich nutze diese Möglichkeit, um meinen Arbeitsort und meine Arbeitszeit so flexibel und familienfreundlich wie möglich zu gestalten.

Sie sind auch in der Tiroler RAK sehr engagiert, welche Änderungen wünschen Sie sich für junge Frauen im Stand? Sind Änderungen in Planung?

Ich wünsche mir, dass die hohe Fixkostenbelastung, welche auch auf Grund unseres nicht nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip ausgestalteten Pensionssystems durch hohe Beiträge entsteht, für Jungeltern, welche sich hauptsächlich der Betreuung des Kindes widmen, erleichtert wird.

Es gibt diesbezüglich einen von mir mit weiteren Kolleg:innen aus ganz Österreich formulierten Antrag, Beitragsreduktionen für Jungeltern bei Anrechenbarkeit als volle Beitragsmonate in den Leistungsordnungen vorzusehen. Es werden aktuell gerade die versicherungsmathematischen Grundlagen dazu erstellt. Dies soll vor allem für Frauen den Stand attraktiver machen, auch wenn die Maßnahme aus meiner Sicht allen Jungeltern zugutekommt, welche die vorbezeichneten Voraussetzungen erfüllen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein oft ein Grund, weswegen junge Frauen die Anwaltei als Karriereweg für sich ausschließen. Als Mutter einer jungen Tochter, würden Sie ihr von der Anwaltei abraten? Wie vereinbaren Sie diese beiden Lebenssphären?

In Summe kämpft man auch als Anwältin mit „typischen Selbständigenproblemen“. Wie bezahle ich trotz verminderter eigener Leistungsfähigkeit kurz vor und nach der Geburt die Gehälter meiner Mitarbeiter und wie halte ich meine Stammklienten. Aber es ist aus meiner Sicht richtig, dass die Leistungs- und Beitragsordnungen der Rechtsanwaltskammern, welche alle Beiträge der Anwält:innen regeln, jungen Müttern immer noch besonders viele Steine in den Weg legen, auch wenn sich in letzter Zeit einiges getan hat.

Ich kann meinen Beruf unter anderem deshalb ausüben, weil mein Mann sich für Elternteilzeit entschieden hat und sich unter der Woche hauptsächlich um unsere Tochter kümmert. Ergänzend dazu können wir auf ein tolles familiäres Netzwerk zurückgreifen.

Aber ja, im Grund ist es sehr viel zusätzliche Organisationsarbeit. Ich würde trotzdem niemanden vom Anwaltsberuf abraten. Dies auch deshalb, da gerade in den letzten Jahren das Augenmerk der Funktionär:innen in den Kammern verstärkt auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt wird. Wir brauchen unbedingt mehr engagierte junge Frauen im Stand, die dieses Anliegen mit mir vorantreiben.  

Basierend auf Ihren Erfahrungen in Wien und im Ausland, wie unterscheidet sich der juristische Alltag in Innsbruck?

Ich würde es am treffendsten mit „man kennt sich“ in Innsbruck umschreiben. Wien ist meiner Erfahrung nach in beruflicher Hinsicht sehr viel anonymer, die Mandatsstrukuren sind aber auch weniger persönlich.

„Als Frau muss man sehr taff sein, um erfolgreich zu sein“ – stimmt das? Wie leben Sie Ihre „Taffness“?

Ich würde eher sagen, man muss generell taff sein, um erfolgreich ein Unternehmen zu führen. Ich versuche stets sowohl auf der Sach- als auch auf der rechtlichen Ebene gut vorbereitet zu sein, sei es im Gerichtssaal oder auch bei Besprechungen oder außergerichtlichen Verhandlungen aller Art. Das verleiht mir die nötige Sicherheit, um mich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, auch bei „Querschüssen“ der Gegenseite. Läuft etwas nicht nach Plan, versuche ich im Nachgang auch zu evaluieren, warum das Mandat diesen Weg genommen hat und was mein learning für die Zukunft ist. Ich habe bis dato immer aus Fehlern mehr gelernt als aus Erfolgen. 

Was hätten Sie in Ihrer Karriere gern früher gewusst? 

Wie das anwaltliche Pensionssystem wirklich ausgestaltet ist und wie hart man manchmal um Honorar verhandeln muss.

Impostor-Syndrome ist bei vielen Berufseinsteigerinnen ein Thema. Wie kann man dieses überkommen?

Ich versuche jungen Kolleginnen mitzugeben, dass wir alle einmal angefangen haben. Als Anwältin sollte man früh lernen, für eine Sache einzustehen. Da ist es doch eine gute Übung, als erstes sich bewusst zu machen, dass auch die eigene Leistung einen Wert hat.

Wie kann man sich in Innsbruck am besten mit Kolleginnen und Kollegen vernetzen?

Ich versuche die Veranstaltungen der Kammer wahrzunehmen, wie beispielsweise die Vollversammlung oder auch Seminare der diversen Anbieter. Seitdem es endlich wieder Präsenzseminare gibt, ist es auch leichter, beim anschließenden Getränk sich auszutauschen und zu vernetzen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Vereinigungen, Stammtische uä. wo es die Möglichkeit gibt, sich zu vernetzen.

Wie definieren Sie für sich Erfolg? 

Ein erfolgreich abgeschlossener Fall ist für mich ein:e zufriedene:r Mandant:in.

Welchen ultimativen Karrieretipp haben Sie für junge Frauen? 

Ich habe während meiner Ausbildung versucht, so viele verschiedene Rechtsmaterien wie möglich zu bearbeiten und meine Ausbildung auch außerhalb von Innsbruck zu absolvieren. Eine breite Ausbildung ist ein wesentliches Fundament, denn Spezialisierungen unterliegen gerade auch im Rechtsbereich dem Wandel der Zeit. Jungen Frauen möchte ich gerne mitgeben, dass sie bitte von Anfang an so hart um ihr Gehalt verhandeln wie ihre männlichen Kollegen.

Dr. Astrid Schmidinger-Singer