Uni Graz goes EuGH: Einblicke in den wissenschaftlichen Dienst

Dr. Marlene Brosch erzählt von ihren Erfahrungen im wissenschaftlichen Dienst beim EuGH.*

  1. Dr. Brosch, Sie haben an der Karl-Franzens-Universität studiert und promoviert. Wie sah Ihr Werdegang aus, bevor Sie sich für den EuGH entschieden haben?

Nach der Promotion an der Uni Graz und der Gerichtspraxis begann ich ein Verwaltungspraktikum im Magistrat der Stadt Graz, im Referat für Zivilrecht. Da ich am Institut für Zivilrecht als Universitätsassistentin tätig war, war meine Entscheidung für diese Praktikumsstelle ziemlich naheliegend. So lehrreich sie auch war, ließen mich mein Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten und an einem weiteren Auslandsaufenthalt (Stichwort „Erasmus-Fieber“) nicht los. Als ich auf eine Postdoc-Stelle im Bereich meines Promotionsthemas – im internationalen Familien- und Erbrecht – am damaligen Max-Planck-Institut für Prozessrecht in Luxemburg aufmerksam wurde, zögerte ich nicht lange, mich zu bewerben. So kam ich 2019 nach Luxemburg. Obwohl ich ursprünglich eine Rückkehr nach Österreich geplant hatte, kam es – wie oft im Leben – ganz anders als geplant 🙂

  1. Was hat Sie motiviert, die Karriere bei den EU-Institutionen zu beginnen?

Ich dachte schon immer daran, im Ausland zu arbeiten, aber konkrete Vorstellungen hatte ich während des Studiums nicht. Der Wendepunkt kam, als ich während meiner Zeit am Max-Planck-Institut, die sowohl in wissenschaftlicher als auch in persönlicher Hinsicht sehr wertvoll war, an einem Auswahlverfahren für deutschsprachige „Rechts- und Sprachsachverständige“ für den EuGH teilnahm. Nach dem bestandenem Auswahlverfahren bekam ich ein Angebot aus dem deutschsprachigen Übersetzungsreferat des EuGH. Eigentlich wollte ich in der Wissenschaft tätig bleiben. Doch es reizte mich sehr, die Arbeit in einer EU-Institution zu entdecken und dabei meine juristischen und fremdsprachlichen Kenntnisse zu kombinieren. Und so begann ich 2020 im Sprachendienst des EuGH zu arbeiten. 2021 wechselte ich zum wissenschaftlichen Dienst.

  1. Welche Möglichkeiten gibt es für Juristinnen am EuGH?

Es gibt zahlreiche juristische Berufsbilder am EuGH. Einige davon sind sicherlich bekannter als andere. In den Kabinetten arbeiten Jurist:innen als sogenannte Referent:innen („référendaires“), deren Aufgabe es ist, die Fälle für die Richter:innen und Generalanwält:innen in rechtlicher Hinsicht zu bearbeiten und verschiedene Gerichtsdokumente zu verfassen. Neben den Kabinetten arbeiten Jurist:innen auch in den sogenannten Dienststellen („services“), deren Aufgabe es ist, die beiden Gerichte – den Gerichtshof und das Gericht – zu unterstützen. Zu diesen Dienststellen zählen u.a. die Kanzleien des Gerichtshofs und des Gerichts, der wissenschaftliche Dienst, der Sprachendienst (der sowohl die Übersetzungs- als auch die Dolmetscherabteilung erfasst), die Bibliothek, der Rechtsberater für Verwaltungsangelegenheiten, die Direktion Protokoll und Besuche sowie die Kommunikationsabteilung. Es würde leider den Rahmen sprengen, wenn ich die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Dienststellen erkläre. Die EuGH-Webseite bietet dazu einen guten Überblick (https://curia.europa.eu/jcms/jcms/Jo2_7001/de/). Auf den wissenschaftlichen Dienst, bei dem ich derzeit tätig bin, gehe ich gerne näher ein.

  1. Welche Aufgaben übernehmen die Juristinnen und Juristen im wissenschaftlichen Dienst?

Die Direktion „Wissenschaftlicher Dienst und Dokumentation“, wie der wissenschaftliche Dienst offiziell heißt, hat eine doppelte Aufgabe: Zum einen stellt sie dem Gerichtshof und dem Gericht Ressourcen im Bereich der Vorprüfung bestimmter Rechtssachen, insbesondere von Vorabentscheidungsersuchen, und im Bereich der Rechtsvergleichung, durch das Erstellen von rechtsvergleichenden Studien, zur Verfügung. Im wissenschaftlichen Dienst arbeiten nämlich Jurist:innen aus grundsätzlich allen EU-Mitgliedstaaten. Zum anderen unterstützt der wissenschaftliche Dienst den Gerichtshof und das Gericht durch verschiedene Aufgaben im Bereich der Verbreitung der Rechtsprechung. Dazu zählt insbesondere das Erstellen von Leitsätzen, Zusammenfassungen und Rechtsprechungsübersichten, die auf der Webseite des EuGH veröffentlicht werden (https://curia.europa.eu/jcms/jcms/p1_2170125/de/). Außerdem erstellt der wissenschaftliche Dienst Newsletter zu ausgewählten nationalen Entscheidungen, die das Unionsrecht betreffen und von besonderem Interesse sind.

  1. Welche Tipps haben Sie zum Standort Luxemburg?

Die Stadt Luxemburg ist sehr international, was sich insbesondere im vielfältigen kulinarischen Angebot widerspiegelt. Es gibt viele gemütliche Plätzchen zum Entdecken und das Land bietet für Naturliebhaber sehr schöne Wanderwege. Letztendlich hängt es von den persönlichen Präferenzen und Befindlichkeiten ab (etwa das trübe Herbst- und Winterwetter ;-)), doch ich finde Luxemburg sehr lebenswert und ich habe mich auch relativ schnell eingewöhnt.

  1. Sie arbeiten täglich in einem internationalen, vielsprachigen Umfeld. Welche Erfahrungen haben Sie mit der täglichen Arbeit in einer Fremdsprache gemacht?

Die interne Arbeitssprache am EuGH ist Französisch. Da ich neben Jus auch Französisch studiert habe, hatte ich zwar keine Verständnisschwierigkeiten und auch bei meiner früheren Tätigkeit war meine Arbeitssprache eine Fremdsprache (Englisch). Am Anfang war das Fachvokabular auf Französisch aber noch eine Herausforderung. Es hat mir jedoch von Anfang an Spaß gemacht, auf Französisch juristisch zu arbeiten. Außerdem sind Fremdsprachen aus meiner Sicht eine große persönliche Bereicherung und ich möchte sie daher in meinem beruflichen Alltag nicht missen.

  1. Wie kann man sich in Luxemburg am besten mit Kolleginnen innerhalb und außerhalb der Institutionen vernetzen?

Aufgrund der vielen Expats gibt es zahlreiche Kulturvereine und andere Einrichtungen oder Events, die eine Vernetzung innerhalb und außerhalb der EU-Institutionen ermöglichen. Die österreichische Botschaft organisiert auch viele kulturelle Veranstaltungen, die die Möglichkeit bieten, Kontakte nicht nur mit Österreicher:innen zu knüpfen.

  1. Pflegen Sie noch viele Kontakte nach Österreich?

Neben meinem familiären Umfeld bin ich insbesondere mit Kolleginnen und Kollegen von bzw. an der Uni Graz und auch an anderen Unis in Kontakt geblieben. Neben dem persönlichen Aspekt ist es für mich auch in beruflicher Hinsicht wichtig, den Kontakt zur österreichischen Rechtsordnung zu behalten. 

  1. Welche Tipps würden Sie jungen Juristinnen geben, die ihre Karriere gerne am EuGH beginnen wollen?

Praktika sind ein sehr guter Weg, um die Tätigkeit bei den EU-Institutionen kennenzulernen. Diese dauern in der Regel fünf Monate und werden vergütet. Auch am EuGH gibt es die Möglichkeit für Hochschulabsolvent:innen, insbesondere Jurist:innen, ein Praktikum in einem Kabinett oder in einer Dienststelle zu absolvieren. Dazu gleich ein Hinweis: Die Bewerbungsfrist für Praktika ab Herbst 2025 läuft noch bis Mitte April! Alle Informationen dazu gibt es unter: https://curia.europa.eu/jcms/jcms/Jo2_7008/de/

  1. Welchen ultimativen Karrieretipp können Sie Juristinnen geben, die eine Karriere im internationalen Umfeld, im speziellen bei der EU anstreben?

Investiert in Eure Fremdsprachenkenntnisse! Englisch ist zwar die Hauptarbeitssprache im juristischen internationalen Umfeld, doch für eine Karriere bei den EU-Institutionen sind insbesondere gute Französischkenntnisse von großem Vorteil.

 

*Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autorin wieder und verpflichtet in keiner Weise den Gerichtshof der Europäischen Union.

Dr. Marlene Brosch

Dr. Marlene Brosch, Bakk. studierte Jus und Romanistik an der Universität Graz und war ebendort als Universitätsassistentin (prae-doc) am Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht tätig. Nach ihrer Promotion und der Gerichtspraxis zog sie nach Luxemburg, wo sie als Senior Research Fellow (post-doc) am Max Planck Institut für Prozessrecht zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht forschte. 2020 begann sie ihre Karriere am EuGH als Juristin-Übersetzerin. Seit 2021 ist sie dort als Juristin im wissenschaftlichen Dienst tätig.