Über die Authorinnen:
Frau Mag. Marlene Kern-Wedl, M.A. ist Teamleiterin in der Stabsstelle Recht bei der Wien Energie GmbH. Ursprünglich nach der Matura für Sozial- & Wirtschaftswissenschaften an der Universität inskribiert, entschloss sie sich sehr bald und klar doch Rechtswissenschaften am Juridicum der Universität Wien zu studieren. Nach dem Studium absolvierte Marlene Kern-Wedl das Gerichtsjahr und war anschließend als Rechtsanwaltsanwärterin in einer Anwaltskanzlei tätig, vorrangig mit dem Ziel, eine solide juristische Grundausbildung zu erhalten, von welcher sie auch heute noch profitiert. Nach einiger Zeit als Rechtsanwaltsanwärterin in einer Kanzlei, vollzog Marlene Kern-Wedl den Wechsel zur Wien Energie GmbH in die Rechtsabteilung. Dort angekommen erklomm sie rasch die Karriereleiter und wurde Teamleiterin der Stabsstelle Recht.
Frau Mag. Claudia Knoll ist als Rechtsanwaltsanwärterin im Vergaberechtsteam von der Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH tätig. Sie traf die Entscheidung Jus zu studieren bereits zu Schulzeiten und war damit die erste in ihrer Familie, die sich zu diesem Studium entschloss. Im Anschluss an das Studium folgte ebenfalls das Gerichtsjahr, anders als Marlene Kern-Wedl entschied sich Claudia Knoll jedoch nach Absolvierung der Gerichtspraxis nicht in eine Anwaltskanzlei zu gehen, sondern sie startete ihre Karriere bei der Wirtschaftskammer Wien als Rotationsjuristin. Nach etwa einem halben Jahr folgte eine Festanstellung im Bereich Rechts- und Wettbewerbspolitik. Nach eineinhalb Jahren reizte es Claudia Knoll aber doch noch Kanzleiluft zu schnuppern und so entschied sie sich zum Wechsel in eine Anwaltskanzlei. Da sie bereits bei der Wirtschaftskammer Wien erste Berührungspunkte mit dem Vergaberecht hatte und es als spannendes Rechtsgebiet empfand, begann sie ihre Tätigkeit als Konzipientin im Vergaberechtsteam. Nach etwa einem halben Jahr als Rechtsanwaltsanwärterin bei KWR ergab sich die Möglichkeit eines parallelen Secondments in der Rechtsabteilung der Wien Energie.
Gründe für die Karriere in der Rechtsabteilung und in der Rechtsanwaltskanzlei:
Die Entscheidung der Anwaltei den Rücken zu kehren und ihren weiteren Karriereweg in der Rechtsabteilung eines Großunternehmens zu beschreiten, traf Marlene Kern-Wedl ganz bewusst. An der Arbeit in der Rechtsabteilung schätzt sie die Themenvielfalt besonders, da neben den juristischen, auch wirtschaftliche und strategische Aspekte einen Teil des Berufsbilds bilden. Weiters findet sie die unterschiedlichen Menschen, mit welchen man in einem großen (Konzern-)Unternehmen zu tun hat und deren vielfältige Backgrounds besonders spannend. Auch die Arbeit im Team, als Teil eines großen Ganzen, machen für Marlene Kern-Wedl die Tätigkeit in einer Rechtsabteilung besonders attraktiv.
Nachdem sich Marlene Kern-Wedl gegen eine weitere Laufbahn in der Anwaltei entschieden hatte, nahm sie sich ausreichend Zeit, um nachzudenken, welche Aspekte ihr bei einem neuen Arbeitgeber wichtig sind. Für sie war schnell klar, dass es sie in eine große Organisation mit Weiterentwicklungsmöglichkeiten zieht und auch die Tätigkeit des Unternehmens nahm bei ihrer Entscheidung einen hohen Stellenwert ein. Der Unternehmensgegenstand sollte von Relevanz für die Gesellschaft sein, womit sie sich eine Tätigkeit im Energiebereich gut vorstellen konnte. Marlene Kern-Wedl ist im Zuge ihrer Jobsuche auf ein Inserat der Wien Energie GmbH aufmerksam geworden, welches sie sehr angesprochen und ihren Vorstellungen entsprochen hat.
Als nunmehr Teamleiterin in der Stabsstelle Recht, ist ein Thema immer stärker in den Fokus ihrer Tätigkeit gerückt, nämlich „Licht in den Paragraphen-Dschungel zu bringen“. Eine spürbare Zunahme an Rechtsmaterien und Komplexität erfordert es immer stärker, das Wesentliche herauszuarbeiten und relevante Informationen klar und präzise darzustellen. In einer großen Organisation wie Wien Energie ist es wichtig, konkrete und umsetzbare Lösungen für komplexe Probleme zu kommunizieren, sodass diese von jedem im Unternehmen verstanden werden. Gerade der Kommunikationsfaktor hat sich in letzter Zeit besonders stark entwickelt und ermöglicht durch das Aufzeigen konkreter Lösungsvorschläge, auch bei verschiedenen Themen mitzugestalten. Die moderne Rolle eine Rechtsabteilung ist immer dynamischer und aktiver geworden, ganz nach dem Motto „mittendrin statt nur dabei“.
Inhaltlich werden bei der Wien Energie GmbH in allen Bereichen erneuerbare Energien forciert. Das führt zur Entwicklung neuer Technologien, die auch neue rechtliche Themen, welche in der Rechtsabteilung behandelt werden, mit sich bringen. „Das hält fit“, wie Marlene Kern-Wedl sagt und sorgt dafür, dass auch die Rechtsabteilung in die verschiedenen Innovationen im Energiesektor eingebunden wird. Aber auch die Arbeitsweise und die internen Prozesse unterliegt einem ständigen Wandel und dem technischen Fortschritt. So wird auch bei Wien Energie die Digitalisierung immer weiter vorangetrieben, was andere Kommunikations- und Abstimmungsformate („new work“) zur Folge hat.
Claudia Knoll hat hingegen einen anderen Weg gewählt und ist von einer großen Organisation (Wirtschaftskammer Wien) in die Anwaltei gewechselt. Am Beruf des Rechtsanwalts reizt sie dabei besonders die Abwechslung, die mit diesem Job verbunden ist. Auch wenn die verstärkte Beschäftigung mit einem Rechtsgebiet natürlich eine Spezialisierung hin zu diesem mit sich bringt und der Beruf des Anwalts zumeist einen engeren rechtlichen Themenkreis umfasst, als die Tätigkeit in einer Rechtsabteilung, ist gerade auch dieses tiefere Eintauchen in eine Materie etwas ganz Spannendes. Zudem ist jeder Klient und jedes Verfahren im Vergaberecht anders gelagert und man lernt immer wieder etwas Neues dazu. Es stellen sich laufend neue Herausforderungen für die es eine Lösung zu finden gilt, etwa indem Vorschriften in unterschiedliche Richtungen untersucht werden müssen. Das führt dazu, dass man am Ende mitunter zu Lösungen gelangt, an die man anfangs nicht gedacht hat.
Charaktereigenschaften, die man für die Arbeit in der Rechtsabteilung und in der Rechtsanwaltskanzlei mitbringen sollte
Angesprochen auf die Frage, welche Qualifikationen und Charaktereigenschaften man für eine Position in einer Rechtsabteilung mitbringen sollte, geht Marlene Kern-Wedl zuerst auf den fachlichen Background ein. Wichtig ist hier eine solide juristische Grundausbildung und auch die Bereitschaft, im Sinne eines generalistischen Zugangs auch in ganz neue Rechtsgebiete einzutauchen. Als Teil einer großen Organisation reicht zudem die rein juristische Betrachtungsweise oft nicht aus, daher braucht es oftmals den Blick über den Tellerrand und die Berücksichtigung neben juristischen, auch von wirtschaftlichen und technischen Aspekten bei der Lösungsfindung. An Charaktereigenschaften und sonstigen Sozialkompetenzen, sollte man Marlene Kern-Wedl zufolge integrativ und kooperativ sein, also gerne im Team und mit anderen Menschen arbeiten und auf diese zugehen. Durch die bestehende Dynamik ist auch Flexibilität eine Eigenschaft, die man im Arbeitsalltag in der Rechtsabteilung von Wien Energie benötigt. Viele der erforderlichen Eigenschaften lernt man am besten, wenn man sich mit Neugierde und Engagement auf die Arbeit einlässt (learning on the job).
Wenn es um die Charaktereigenschaften geh, die man ihres Erachtens für den Rechtsanwaltsberuf mitbringen sollte, fällt Claudia Knoll auf Anhieb „Geduld“ ein. Den Klienten aufmerksam zuzuhören und herauszuhören, was dieser möchte. Das kann manchmal einiges an Zeit in Anspruch nehmen, da nicht alle Klienten auf Anhieb wissen, was sie im Detail wollen. Hier gilt es gemeinsam aus der groben Idee den Ablauf und das weitere Vorgehen detailliert abzustimmen. Weitere Charaktereigenschaften, die man für den Beruf als Rechtsanwalt sicherlich gut gebrauchen kann, sind auch Durchsetzungskraft und Empathie, die Fähigkeit sich in das Gegenüber hineinzuversetzen. Denn es kommt immer wieder vor, dass Vorstellungen von Klienten mit den rechtlichen Gegebenheiten nur schwer in Einklang zu bringen sind, hier ist es dann erforderlich, auf die Anliegen des Klienten Rücksicht nehmend, einen alternativen Lösungsvorschlag vorzubringen. Auch sollte man sich nicht zu schnell aus der Ruhe bringen lassen und versuchen auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren: Umstände können sich manchmal rasch ändern und es ist wichtig in diesen Fällen strukturiert und überlegt zu handeln. Zudem sind im Rechtsanwaltsberuf auch Genauigkeit und Präzision Eigenschaften von denen man sehr profitiert, die man sich mit der Zeit aber fast von selbst aneignet, wenn man die Verantwortung erkennt, die hinter dem Beruf steht und die ein genaues Arbeiten erforderlich macht.
Wie sich die Zusammenarbeit intern in der Rechtsabteilung und mit einer Rechtsanwaltskanzlei gestaltet und welche Herausforderungen dadurch entstehen
Wie gestaltet sich nun die Zusammenarbeit als Rechtabteilung mit den anderen innerbetrieblichen Bereichen, wie der Geschäftsführung, Fachabteilungen aber auch mit externen Beratern und im Umkehrschluss, welche Herausforderungen ergeben sich bei der engen Zusammenarbeit einer Anwaltskanzlei mit der Rechtsabteilung von Klienten?
Die innerbetriebliche Zusammenarbeit erfolgt abgesehen von regelmäßigen Abstimmungsformaten immer öfter kurzfristig und anlassbezogen, erklärt Marlene Kern-Wedl. Ad-hoc Abstimmungen haben deutlich an Bedeutung gewonnen, insb auch während der Corona-Krise, da Termine mittlerweile viel öfter online abgehalten werden als früher. Die Stabsstelle Recht ist bei Wien Energie der Ansprechpartner bei allen rechtlichen Belangen (ausgenommen Arbeits- und Steuerrecht). Die Formen, wie auf Anfragen reagiert wird, sind unterschiedlich, aber der Trend zur Verdichtung der Kommunikation ist auch hier spürbar.
Dabei ist es, insbesondere bei der innerbetrieblichen Kommunikation zwischen der Rechtsabteilung und einem anderen Bereich wichtig, den konkreten Bedarf, Hintergrund und die Anforderungen des Gegenübers zu eruieren. Wichtig ist hier aber auch immer einen Weg darzustellen und eine Lösung vor Augen zu haben, um festzulegen in welche Richtung es gehen soll. Im Rahmen der Kommunikation mit dem Gesprächspartner ist es auch immer sinnvoll eine Struktur bzw. einen Plan zur weiteren Bearbeitung eines Themas zu vereinbaren.
Aus einer anderen Perspektive, nämlich welche Herausforderungen einem bei der engen Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung von Klienten begegnen können, sagt Claudia Knoll, dass eine Herausforderung in den zum Teil unterschiedlichen Herangehensweisen an ein Thema besteht. Für die Rechtsabteilung haben, nachvollziehbarer Weise, die Interessen des Unternehmens oberste Priorität. Die Rechtsabteilung muss Anforderungen aus allen Bereichen der Organisation abdecken und versuchen, den Wünschen aus diversen Abteilungen bestmöglich zu entsprechen. Dabei spielen neben rechtlichen Rahmenbedingungen auch wirtschaftliche Belange eine wesentliche Rolle. Das führt dazu, dass Rechtsabteilungen im Vergleich zu Kanzleien ein größeres Interesse daran haben die rechtlichen Grenzen, entsprechend ihren Anforderungen, weiter ausreizen. Das hat schlicht auch mit der Haftung zu tun, der eine Kanzlei bei zu freier Interpretation des Rechts ausgesetzt sein kann.
Als Rechtsanwaltsanwärterin in einer Kanzlei war es für Claudia Knoll daher insbesondere zu Anfang eine Herausforderung, neben den rein rechtlichen Aspekten auch weitere Gesichtspunkte etwa wirtschaftlicher und strategischer Natur, bei der Lösungsfindung miteinzubeziehen. Auch kommt es öfter vor, dass man seine Komfortzone verlassen muss: Das an einen herangetragene Problem betrifft zwar auch Aspekte des eigenen Rechtsgebiets, aber eben auch andere Rechtsmaterien, mit denen man sich womöglich nicht so oft beschäftigt. Hier gilt es dann punktuell in andere Rechtsgebiete einzutauchen, um eine passende Lösung zu finden.
Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Rechtsabteilung und Rechtanwaltskanzlei:
Im Endeffekt sind Rechtsabteilungen und Rechtsanwaltskanzleien aber gar nicht so verschieden, beide sind beratend tätig und versuchen andere Abteilungen in der Organisation oder Klienten bestmöglich zu unterstützen und eine Lösung für das an sie herangetragene Anliegen zu finden. In beiden Bereichen ist es wichtig, auf Augenhöhe und mit ähnlichem Kenntnisstand zu kommunizieren und das Gegenüber über die Thematik aus rechtlicher Sicht auf verständliche Art und Weise aufzuklären.
Ein zentraler Unterschied besteht dann aber doch, zwischen einer Rechtsabteilung eines großen Unternehmens und einer Rechtsanwaltskanzlei, der insb auch im Vergaberecht spürbar ist. So erfolgt die Konzeptionierung von Ausschreibungsunterlagen in einer großen Organisation wie Wien Energie, die darüber hinaus auch ein Teilkonzern der Wiener Stadtwerke ist, in einer eigenen Abteilung in vielen Bereichen auch aufgrund standardisierter Strukturen und Unterlagen. Das ist nur nachvollziehbar aufgrund der Vielzahl an Vergaben welche Wien Energie tagtäglich abwickelt. Anders verhält es sich hier im Vergaberechtsteam einer Anwaltskanzlei, wo die Unterlagen in jedem Einzelfall gemeinsam mit dem Klienten nach individuellen Vorgaben, angepasst auf die zu vergebende Leistung erstellt werden.
Herausforderungen
Auf die Frage welche Situationen für sie besonders herausfordern sind/waren, antwortet Marlene Kern-Wedl mit dem Zeitaspekt, der aufgrund der Dynamik oftmals herausfordernd sein kann. Hier ist eine gewisse Stressresistenz wichtig. Hinsichtlich heikler Themen hilft es ihr diese im Team zu besprechen, um verschiedene Sichtweisen zu erhalten. Dieses gemeinsame sparring ist ein wichtiges Tool im Lösungsfindungsprozess.
Gefragt nach dem Umgang mit Fehlern fokussiert Marlene Kern-Wedl zunächst auf eine rasche Abklärung von Möglichkeiten zur Fehlersanierung und Schadenbegrenzung. Zudem ist es auch wichtig gemeinsam zu analysieren, wie es zu dem Problem gekommen ist und wie ein derartiges künftig vermieden werden kann, sagt Marlene Kern-Wedl.
Für Claudia Knoll war während ihres Secondments in der Rechtsabteilung von Wien Energie der Spagat zwischen Rechtsabteilung und Rechtsanwaltskanzlei, besonders zu Anfang eine Herausforderung. Die Arbeitsweise in einer Kanzlei einerseits und in der Rechtsabteilung einer großen Organisation andererseits ist eine andere. Das war zwar eine Herausforderung, hat für Claudia Knoll aber auch einen großen Mehrwert gehabt, da man lernt sich an unterschiedliche Gegebenheiten anzupassen und schult damit die Flexibilität. So ist die Arbeit im Team und sind die unternehmensinternen Prozesse in einer großen Organisation wie Wien Energie anders ausgestaltet als in einer Kanzlei, in welcher das Team oftmals aus lediglich ein paar Personen besteht. Ebenso sind im Zeitmanagement und in der Genauigkeit und Detailliertheit der Anfragebeantwortungen Unterschiede zwischen einer Rechtsabteilung und einer Rechtsanwaltskanzlei zu finden.
Wie ich meine Wahl für eine Rechtsabteilung oder eine Rechtsanwaltskanzlei treffe:
Ob die Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei oder in einer Rechtsabteilung für JuristInnen, welche sich bisher noch für keinen Beruf entschieden haben, das Richtige ist lässt sich nicht pauschal beantworten. Marlene Kern-Wedl hat hier den Tipp in einer Rechtsanwaltskanzlei zu beginnen, aufgrund der fundierten juristischen Grundausbildung, die man hier erhält. Idealerweise besteht auch die Möglichkeit, während seiner Zeit in der Kanzlei über Kooperationen zwischen Anwaltskanzleien und Unternehmen wie z.B. zwischen der Wien Energie GmbH und KWR, Unternehmensluft zu schnuppern. Claudia Knoll rät in dieser Hinsicht noch dazu bei seiner Entscheidung bestimmte Aspekte zu berücksichtigen etwa, ob man sich auf ein bestimmtes Rechtsgebiet spezialisieren, auch vor Gericht verhandeln und noch näher am Klienten dran sein möchte, dann bietet sich eine Anwaltskanzlei an. Ist es einem hingegen wichtiger noch stärker in ein Team und in eine große Organisation eingebunden zu sein und verschiedenste Projekten, welche zum Teil auch unterschiedliche Rechtsgebiete betreffen zu betreuen, ist die Arbeit in einer Rechtsabteilung zu präferieren. Wichtig ist hierbei immer in sich hineinzuschauen und ehrlich zu sich selbst zu sein.