In der Arbeitswelt existiert nach wie vor eine „gläserne Decke“. Die Juristerei in Österreich ist hier selbstverständlich keine Ausnahme. Menschen fördern Menschen, die ihnen ähnlich sind (Harvard Business School Artikel zum Thema). In männerdominierten Domänen führt das etwa dazu, dass es Frauen schwerer haben, in die Führungsebene aufzusteigen. Wenn wir hart verhandeln und für uns einstehen, kann das als “zu ehrgeizig” angesehen werden – und der Bruch mit der Geschlechterrolle wird pönalisiert (zu Pönalisierung von Ehrgeiz bei Frauen, siehe Criado-Pérez‘ „Invisible Women“).
Auch unbezahlte Care-Arbeit spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Laut Rechnungshof werden in Österreich weniger als 5% der Anspruchstage für Kinderbetreuungsgeld von Vätern genutzt. Kinderbetreuung ist also nach wie vor primär in Frauenhand. In unserem System wirkt sich dies selbstverständlich negativ auf Pensionsansprüche und finanzielle Unabhängigkeit von Frauen aus – sowie auch auf Karriereverläufe. Letzteres unter anderem in dem Sinne, dass Führungspositionen häufig nicht in Teilzeit angeboten werden. Wird eine Stelle damit beworben, dass die Arbeit im Home-Office, flexibel oder in Teilzeit ausgeübt werden kann, bewerben sich deutlich mehr Frauen (siehe World Economic Forum). Doch Spitzenjobs in Teilzeit sind derzeit alles andere als üblich.
Es gäbe noch so viel mehr Beispiele, die zeigen, dass in puncto Geschlechtergleichstellung in der Arbeitswelt noch viel zu tun ist. Nicht umsonst ist Gleichstellung der Geschlechter eines der SDGs.
Doch um Ziele umzusetzen, braucht es praktische Strukturen, mit denen wir uns schrittweise in die richtige Richtung bewegen. Gerade deshalb finde ich als Juristin Projekte wie die Paragraphinnen besonders wichtig. Ich denke, dieses Projekt hat das Potential, dazu beizutragen, dass in unserer eigenen Branche die „gläserne Decke“ dünner wird.
Sind es Juristinnen, die sich mit Strukturen auseinandersetzen, die Frauen benachteiligen, kommt ein weiterer – meines Erachtens noch wichtigerer – Aspekt hinzu: Unsere Ausbildung ist einerseits sehr angesehen, was dazu führt, dass man uns eher zuhört; andererseits ist sie ein mächtiges Werkzeug. Es gibt unzählige Studien, die belegen, dass Frauen in der Politik sich stärker für Themen einsetzen, die für Frauen besonders relevant sind – wie etwa Familienpolitik. (Criado-Pérez, „Invisible Women“). Ich bin überzeugt, dass es für die Gesellschaft ebenfalls von Bedeutung ist, ob ausreichend Juristinnen an Positionen sitzen, in denen sie etwas bewegen können. Wenn wir uns als Juristinnen über Gleichstellungsthemen informieren und uns gegenseitig unterstützen, können wir dazu beitragen, die Lebensqualität von Frauen in unserer Gesellschaft zu erhöhen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns vernetzen. Deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam lernen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig den Rücken stärken.
Benachteiligung aufgrund des Geschlechts ist kein Nischenthema. Sie betrifft gute 50% der Bevölkerung. Ob diese sich dessen bewusst sind oder nicht, ändert nichts an den (statistischen) Fakten. Als Juristinnen sitzen wir an einem zentralen Hebel. Wenn wir ihn nützen und uns gegenseitig stützen, können wir viel erreichen. Nicht umsonst ist Ruth Bader Ginsburg eine globale feministische Ikone.
“And, unpopular as this opinion may be, I believe that the onus is on those of us who feel able to weather the storm, to do so.” – Caroline Criado-Pérez
In diesem Sinne: Ich freue mich, dass wir uns zusammentun, um uns für eine gleichberechtigte Gesellschaft stark zu machen
ist bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft tätig.