„Ist ein Dr. überhaupt noch erstrebenswert?“ – diese Frage hört man oft unter Kolleg*innen… und hat durchaus ihre Berechtigung. Warum ich mich für ein Doktoratsstudium parallel zur Rechtsanwaltsanwärterschaft entschieden habe und warum sich diese „Bürde“ auszahlen kann, könnt ihr in diesem Beitrag nachlesen.
Was bringt mir ein Doktoratsstudium im späteren Anwaltsberuf?
Die Frage stellt sich nicht selten, schließlich kommt es als RA nicht auf Titel oder spezielle wissenschaftliche Arbeiten, sondern primär auf die bestmögliche Mandantenbetreuung in konkreten Fallkonstellationen an. Ob im Rahmen einer gerichtlichen Vertretung ein „Dr.“ oder „Mag.“ vor dem Namen des*der RA steht, wird dem*der Richter*in im Rahmen seiner*ihrer Urteilsfindung gleich sein. Ich selbst habe das Doktoratsstudium daher auch stets als „Zusatzausbildung“ zum Diplomstudium gesehen – unabhängig von meinem Karriereplan als RA.
Ein hervorzuhebender Vorteil als „Konzi-Doktorant*in“ ist jedenfalls, dass man sich auch ein erfolgreich abgeschlossenes Doktoratsstudium als Ersatzzeit für die erforderlichen 5 Jahre an praktischer Verwendung als RAA im Umfang von maximal – aber immerhin – 6 Monaten anrechnen lassen kann. Dabei sind aber nur solche Studienzeiten anrechenbar, während derer man nicht auch zugleich schon RAA war (sg unzulässige „Doppelanrechnungen“). Sofern man also das gesamte Doktoratsstudium parallel zur Zeit als RAA absolviert, kommt es zu keiner zusätzlichen Anrechnung. Gesicherte Vorteile eines Doktorats für die Anwaltspraxis halten sich damit eher in Grenzen, wohingegen etwa die Bedingungen für den erfolgreichen Abschluss einer Dissertationsvereinbarung eher mühsamer werden. So wird etwa bereits im Rahmen des Dissertationskolloquiums ein Konzept und Zeitplan erwartet, wobei insbesondere RAA vor der Herausforderung stehen, die Prüfer*innen von der möglichen Umsetzung des Dissertationsvorhabens neben der hauptberuflichen Tätigkeit zu überzeugen. Die Vorteile des Doktoratsstudiums liegen mE dafür umso mehr in der Entwicklung der eigenen juristischen Persönlichkeit. Nimmt man die Challenge an, neben der Tätigkeit als RAA ein Doktorat zu schaukeln, ist man automatisch gezwungen, bestmöglich strukturiert und systematisch zu arbeiten, Schritt für Schritt To Do’s zu erledigen und sich ausgiebigst mit der juristischen Methodenlehre zu beschäftigen, um so die eigenen wissenschaftlichen Fähigkeiten zu etablieren. Von all dem wird und kann man in der „Anwaltei“ durchaus profitieren – so wird das Verfassen einer rechtlichen Stellungnahme unter Heranziehung der möglichen Auslegungsmethoden einfacher fallen, wenn man sich mit diesen Methoden bereits intensiv im Rahmen einer Dissertation befasst hat. Mit anderen Worten: Horizonterweiterungen schaden doch nie 😉
Ein Doktorat als RAA – wie funktioniert das mit der Freizeit?
Wie sehr die Freizeit während des Doktorats leidet, hängt mE vom Zeitmanagement ab. Folgende Schritte haben mir bisher dabei geholfen, die Freizeitbelastung durch die Dissertation in einem halbwegs akzeptablen Rahmen zu halten:
- Schritt 1: Suche dir ein Dissertationsthema, das du in mehrere Etappen splitten kannst (zB 3 Rechtsfragen zu 1 Oberthema, wodurch besser abgrenzbare Arbeitsphasen geschaffen werden).
- Schritt 2: Absolviere – wenn möglich – sämtliche LVAs direkt im Anschluss an das Diplomstudium noch vor Antritt einer Stelle als RAA oder parallel zu deinem Gerichtspraktikum in Absprache mit deinem*r Ausbildungsrichter*in.
- Schritt 3: Setze dir regelmäßig Deadlines und verfasse To Do-Listen (du wirst sie sowieso nie zur Gänze einhalten – so setzt du dich selbst besser unter Druck 😉
- Schritt 4: Blocke dir für komplexere Rechtsfragen ganze Tage (lieber 2 Tage geblockt à 8h „opfern“, als in 8 Tagen je 2h) und erledige unterwöchig weniger anstrengende Arbeitsschritte (Korrekturlesen; Zitieren; Stoffsammlung; Gliederung).
Erhält man Unterstützung seitens der Kanzlei?
Entscheidet man sich für den Schritt zum Doktorat während der Ausbildung zum*r RA, bleibt zu bedenken, dass nicht jede*r Rechtsanwält*in nachvollziehen kann bzw. wird, warum man sich diese zusätzliche Hürde aufbürden will. Ob und wie viel Unterstützung man seitens der Kanzlei während des Doktorats erhält, hängt mE vor allem davon ab, ob der*die Ausbildungsanwält*in selbst ein Doktoratsstudium absolviert hat – was in meinem eigenen Fall zB durchaus von Vorteil ist. Insbesondere dann, wenn sich keine Möglichkeit findet, die zusätzlich zu absolvierenden LVAs gemäß Studienplan noch vor der Tätigkeit als RAA zu besuchen, sollte man sich jedenfalls mit dem*der Ausbildungsanwält*in besprechen.