Zulassung zur Gerichtspraxis
Das Gerichtsjahr kann man im OLG Sprengel Linz an vier Terminen im Jahr starten (1.3., 1.6., 1.9. und 1.12.). Das Gesuch um Zulassung muss einen Monat vor Beginn der Gerichtspraxis gestellt werden. Da die Plätze jedoch begrenzt sind, empfiehlt es sich, das Gesuch ehestmöglich zu stellen, um zum Wunschtermin starten zu können. Beim OLG Linz erhält man jederzeit telefonisch Auskunft, ob noch Plätze frei sind.
Vorbereitung
Noch vor Start der Gerichtspraxis erhält jeder Rechtspraktikant die Zugangsdaten des elektronisches Lernprogramms ELAN. Dieses vermittelt wichtige Lerninhalte, die unbedingt vor Start in der jeweiligen Abteilung gekonnt werden sollten. Im ELAN gibt es auch Online-Tests, die manchen Ausbildungsrichtern abgegeben werden müssen. Diese können beliebig oft bis zum gewünschten Ergebnis wiederholt werden. Das erlernte Wissen kann vom Ausbildungsrichter wahlweise auch mündlich abgefragt werden.
Start der Gerichtspraxis
Das Gerichtsjahr beginnt immer beim Bezirksgericht. Die ersten beiden Tage sind Einführungstage, an denen einiges an Theorie vermittelt wird. Die Einführungstage sind am Bezirksgericht Salzburg. Sollte man einem Richter am Bezirksgericht Salzburg zugeteilt sein, kann man eine Pause nutzen und sich bei diesem gleich vorstellen, um sich kennenzulernen und herauszufinden, auf was in der Ausbildung Wert gelegt wird.
Die Dienstzeit
Ein Rechtspraktikant muss von 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr anwesend sein. Es gibt Rechtspraktikanten, die bis Abends im Büro bleiben und viele “Überstunden” machen. Das ist jedoch auch für einen Übernahmswerber nicht notwendig. Ich konnte immer pünktlich gehen und es hat meiner Bewertung nie geschadet.
Ausbildungsrichter und Gerüchte
Es gibt Ausbildungsrichter, über die die Gerüchteküche brodelt. Angeblich seien sie streng und gemein und die Beurteilung unfair. Ich kann euch garantieren, das ist nicht der Fall. Ich selbst hatte in meiner Zeit als Rechtspraktikantin zumindest drei Richter, die als “streng” verschrien waren und Rechtspraktikanten selten mit “ausgezeichnet” beurteilen. Allerdings konnte ich auch bei diesen eine ausgezeichnete Beurteilung erlangen. Oft kommen die Gerüchte von enttäuschten Rechtspraktikanten, die einen Grund für ihre Beurteilung suchen. Davon sollte man sich auf gar keinen Fall einschüchtern lassen. Tretet den Richtern selbstbewusst gegenüber und erledigt eure Arbeit selbständig. Wenn dann auch noch die Chemie stimmt, wird euch euer Ausbildungsrichter sicherlich gerne als künftigen Kollegen weiterempfehlen.
Testurteil für Übernahmswerber
Nach ca. 6 Monaten gibt es den ersten Test für die Übernahmswerber. Es muss in vier Stunden ein Zivilurteil erstellt werden. Zur Vorbereitung auf dieses Testurteil sollten unbedingt die Standardformulierungen eines Urteils (Kopf, Spruch, Kostenentscheidung) auswendig gelernt werden. Es empfiehlt sich jedenfalls, sich mit den Anwaltskosten auszukennen, um bei der Kostenentscheidung Zeit zu sparen. Aufgrund der vergangenen Zeit sollte zu diesem Zeitpunkt jeder Rechtspraktikant schon einige Urteile verfasst haben und sollte der Aufbau kein Problem mehr darstellen. Der Testfall ist im gesamten OLG Sprengel gleich (Salzburg und Oberösterreich). Der Fall ist für gewöhnlich rechtlich nicht besonders schwierig und lang, es geht meiner Meinung nach darum, ein Urteil gekonnt verfassen zu können und nicht darum, ein komplexes Rechtsproblem zu lösen. Das Urteil wird in Schulnoten beurteilt. Bei meinem Testurteil ging es um einen Verkehrsunfall. Die Schwierigkeit am Urteil war nicht die rechtliche Beurteilung sondern die Sachverhaltsfeststellung. Es lag eine “non liquet”-Situation vor, was tatsächlich von den meisten Prüflingen nicht erkannt wurde.
Die erste Reihung
Nachdem das Testurteil benotet wurde findet ein Gespräch zwischen allen Ausbildungsrichtern statt und es wird eine Reihung festgelegt. Es fließen dabei sowohl die Beurteilungen der einzelnen Richter als auch die Beurteilung des Testurteils ein. Sollten die Beurteilungen ähnlich sein, geht es darum, welcher Richter sich am meisten für seinen Rechtspraktikanten einsetzt. Es ist daher immer gut, sich mit seinen Richtern gut zu stellen und gegebenenfalls auch darum zu bitten, dass er am Gespräch teilnimmt (das ist nicht selbstverständlich) und sich für eine gute Reihung einsetzt. Die Beurteilung des Testurteils erfährt man in einem Einzelgespräch mit dem für die Rechtspraktikanten zuständigen Richter.
Es gibt möglicherweise auch zwei Rechtspraktikanten auf einem Platz. An der ersten Reihung kann man sich weiterhin orientieren, da sich diese bei gleichbleibender Leistung nicht viel ändern wird. Bei der ersten Reihung werden oft noch alle als Übernahmswerber gemeldeten Rechtspraktikanten verlängert. Ich war gemeinsam mit einem Kollegen “erstgereiht”. Diese Reihung (auch die der anderen Kandidaten) hat sich bis zum Schluss bei meinem Turnus nicht mehr verändert.
Die zweite Reihung
Für die zweite Reihung gibt es keinen weiteren Test, es fließen die Benotungen der dazugekommenen Ausbildungsrichter ein. Meistens fallen ein paar Kollegen weg, die doch woanders einen Job gefunden haben oder gemerkt haben, dass sie nicht Richter werden wollen. Das ändert allerdings nichts an der eigenen Leistung. Auch wenn jemand “zweitgereiht” ist, nur weil alle anderen weggefallen sind und die Leistung aber nicht entspricht, wird er nicht zum Fachgespräch eingeladen werden. Anhand dieser Reihung wird auch mitgeteilt, wer zum zweiten Mal verlängert wird. Sind genügend Übernahmswerber vorhanden, sind dies oft drei bis fünf. Es gab aber auch schon Durchläufe, an denen nur ein Kandidat zum Fachgespräch geschickt wurde. Bei meinem Turnus waren wir zum Schluss zu dritt. Verlängert wurde jedoch nur noch ich.
Reden wir Klartext – Die eigene Leistung
Auch wenn es hart klingt, ein “ausgezeichnet” sollte man von allen Ausbildungsrichtern haben, wenn man sich nicht nur auf sein Glück bei der Übernahme verlassen möchte. Beim Testurteil sollte die Note natürlich auch gut sein, allerdings sind die Bewertungen der einzelnen Richter wichtiger. Mit einem “genügend” am Testurteil und nur “sehr gut” von den Ausbildungsrichtern braucht man sich keine großen Hoffnungen auf die zweite Verlängerung machen. Insbesondere dann, wenn gerade wenig Stellen zu besetzen sind.
Der Psychologe
Die psychologische Untersuchung findet an zwei Tagen statt und hat einen schlechteren Ruf als sie verdient. Am ersten Tag findet eine persönliche “Untersuchung” statt. Man erzählt etwas von sich und bekommt einige Fragen gestellt. Ich musste eine Lebenslinie erstellen und über mein Leben anhand dieser Lebenslinie erzählen. Danach hat man einen Computertest. Bei diesem werden Fähigkeiten wie zB Multitasking abgefragt. Am zweiten Tag der psychologischen Untersuchung findet ein Assessment Center statt. Bei diesem lernt man auch seine Konkurrenz aus Oberösterreich kennen. So sieht man beispielsweise, wie viele Kandidaten insgesamt übrig geblieben sind und lernt seine Konkurrenz einzuschätzen. Beim Assessment Center werden dafür typische Aufgaben gestellt (erzählen, Karikatur zeichnen, Teamarbeit, …). Es wird das Verhalten in der Gruppe analysiert. Das Ergebnis der psychologischen Untersuchung kann man bei einem persönlichen Gespräch mit dem Psychologen erfahren und ist sehr aufschlussreich. Die Eignung der Persönlichkeit als Richter wird in % ausgerechnet. Der Psychologe spricht sich nur in besonders gravierenden Fällen dezidiert gegen die Übernahme eines Kandidaten aus. Vor der psychologischen Untersuchung muss man daher keine Angst haben. Die Übernahme wird im Normalfall vom Psychologen nicht verhindert, es sei denn, eine ernsthafte psychische Erkrankung liegt tatsächlich vor.
Die spannende Frage – wie viele Stellen werden besetzt
Kurz vor dem Fachgespräch werden die freien Richteramtsanwärterstellen ausgeschrieben. Für gewöhnlich zwischen 1 (allenfalls mehr) und 3 (allenfalls mehr). Es gibt Zeiten, da wird nur eine Person übernommen und welche, da sind es auch mehr als drei. Ein bisschen Glück ist daher dabei. Sind im ganzen Turnus nur noch 5 Personen (im gesamten OLG Sprengel über) und werden drei Stellen ausgeschrieben, sind die Chancen bei entsprechender Leistung gut. Wird nur eine Stelle ausgeschrieben, kann es auch sein, dass nur jemand aus Oberösterreich übernommen wird und niemand aus Salzburg.
Das Fachgespräch – Die Vorbereitung
Das Fachgespräch ist weniger ein Gespräch als eine richtige Prüfung vor mehreren Personen (OLG Präsident und weitere Richter/StA des OLG Linz). Es gibt einen Fragenkatalog, den man sich für gewöhnlich von einem Kandidaten aus dem letzten Turnus besorgt. Dieser dient der Orientierung. Es können aber auch ganz andere Fragen aus ungewöhnlichen Bereichen kommen. Wenn man die ehemaligen Fachgespräch-Fragen das erste Mal einen Monat vor dem Fachgespräch liest, wird einem schnell klar, das alles zu lernen wird sich nicht ausgehen. Möchte man auf Nummer sicher gehen, kann man bereits einige Zeit vorher sich um die Prüfungsfragen bemühen, um diese in Ruhe ausarbeiten und lernen zu können. Bestenfalls beginnt man zwei bis drei Monate vorher zu lernen. Die Lernzeit ist neben der Arbeit nämlich begrenzt und es müssen auch bei den jeweiligen Ausbildungsrichtern laufend gute Leistungen erbracht werden.
Das Fachgespräch
Beim Fachgespräch ist es wichtig, selbstsicher aufzutreten. Die Prüfer müssen auch davon überzeugt werden, dass man von seiner Persönlichkeit als Richter geeignet ist. Auch wenn man beim Fachgespräch inhaltlich nicht zu 100% überzeugen kann, scheitert die Übernahme daran nicht unbedingt. Man sollte das Fachgespräch aber keinesfalls unterschätzen. Unterhält man sich aber mit RiAAs, merkt man schnell, dass viele ihr Fachgespräch als nicht gut empfunden haben und trotzdem übernommen wurden.
Werde ich übernommen?
Ob man übernommen wird, erfährt man einen Tag nach dem Fachgespräch. Entweder durch einen Anruf vom OLG Linz oder persönlich durch einen zuständigen Richter am LG Salzburg.
Was passiert, wenn ich nicht übernommen werde?
Die zweite Verlängerung ist nach dem Fachgespräch noch nicht aus. Es bleibt daher genug Zeit, sich einen Job zu suchen. Auch eine außerordentliche Verlängerung ist möglich, um sich mehr Zeit für Bewerbungen zu verschaffen.
Ist die Übernahme reine Glückssache?
Definitiv nicht. Natürlich kann es passieren, dass man trotz ausgezeichneter Leistungen nicht übernommen wird oder Kandidaten mit weniger guter Leistung zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Mit ausgezeichneten Beurteilungen, einem guten Testurteil und guter Vorbereitung beim Fachgespräch gibt es aber realistische Chancen, insbesondere, wenn 3 (allenfalls) mehr Stellen ausgeschrieben sind.
Woran es bei mir gescheitert ist
Ich war durchgehend “erstgereiht”, hatte ein “gut” am Testurteil (es gab gar kein “sehr gut”, also war das “gut” gut genug), und wurde als Einzige aus Salzburg in meinem Turnus zum Fachgespräch eingeladen. Es wurde dann nur eine Stelle ausgeschrieben. Aus Oberösterreich waren noch fünf Kandidaten übrig. Beim Assessment Center haben einige erzählt, dass Sie nicht nur ausgezeichnete Beurteilungen haben. Es waren für mich demnach nur noch zwei Personen “wirkliche Konkurrenz”. Einen Tag vor dem Fachgespräch habe ich erfahren, dass mir mein aktueller Ausbildungsrichter ein “sehr gut” als Zwischenbeurteilung gegeben hat. Damit wusste ich, dass ich de facto keine Chance mehr habe. Ich bin noch zum Fachgespräch gefahren, ich wurde jedoch (wie erwartet) nicht übernommen. Ich war dann noch einem Feedbackgespräch bei der OLG Präsidentin. Auch die hat mir bestätigt, dass es letztendlich die Beste geschafft hat und die Beste war eine Kandidatin mit nur ausgezeichneten Beurteilungen.
Wenn man unbedingt Richterin werden möchte, ist es daher wichtig, nur die besten Beurteilungen zu erzielen und früh genug für das Fachgespräch zu lernen. Leider kann man seine Beurteilungen nicht immer beeinflussen. Meinen Ausbildungsrichter, der mir die schlechte Zwischenbeurteilung gegeben hat, habe ich nur zweimal zuvor gesehen, er war für mich vor dem Fachgespräch auch zwei Wochen lang nicht zu sprechen, sodass ich meine Zwischenbeurteilung beim Sekretariat erfragen musste. So etwas ist zwar nicht schön, kann aber auch passieren. Man sollte jedoch nicht aufgeben. Wenn man weiterhin unbedingt Richterin werden möchte, empfehle ich, so lang wie möglich bei Gericht zu bleiben, danach zu einem Anwalt zu gehen, die Rechtsanwaltsprüfung zu machen und sich wieder bei Gericht zu bewerben. Bestenfalls muss man dafür nur zwei Jahre bei einem Rechtsanwalt arbeiten, also eineinhalb Jahre länger als Richteramtsanwärter.